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Wirecard: Das Kartenhaus bricht zusammen – Markus Braun muss verkaufen

Wirecard: Das Kartenhaus bricht zusammen – Markus Braun muss verkaufen
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Martin Mrowka 23.06.2020 Martin Mrowka

Am vergangenen Donnerstag wollte Wirecard seine testierten Jahreszahlen für 2019 präsentieren. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen weiteten sich die seit Jahren schwelenden Vorwürfe gegen den Zahlungsdienstleister zu einem Skandal aus. Fast zwei Milliarden Euro sind spurlos verschwunden oder waren niemals vorhanden. Die Wirecard-Aktie crashte. Mittendrin stößt der Wirecard-Chef mehr als die Hälfte seiner Aktien am eigenen Konzern ab.

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat in einer Serie von Verkäufen inmitten des Crash seines Konzerns einen großen Teil seiner Aktien abgestoßen.  Laut vier Pflichtmitteilungen des Aschheimer Unternehmens wurden am Donnerstag und Freitag vergangener Woche Wirecard-Aktien aus dem Besitz von Braun im Gesamtvolumen von gut 155 Millionen Euro zu Stückpreisen zwischen 43,96 und 26,64 Euro verkauft. Als Grund wurden sogenannte Margin Calls genannt, das heißt, Braun war im Grunde gezwungen die Aktien zu verkaufen.

Der im Bilanzskandal um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro als Mittäter unter Verdacht stehende Braun war bislang mit einem Anteil von sieben Prozent größter Wirecard-Aktionär. Im Ausverkauf der Wirecard-Aktien am Donnerstag musste Braun Aktien abstoßen, um vorher vereinbarte Verluste zu begrenzen (to margin). Sein finanzieller Spielraum wird begrenzt – nach Überschreitung einer Grenze, musste er für Ausgleich sorgen.

Der DAX-Konzern hat insgesamt knapp 123,6 Millionen Aktien im Umlauf, überschlägig hat Braun nun über fünf Millionen seiner rund 8,7 Millionen Wirecard-Papiere verkauft. Die Wirecard-Papiere haben seit Mittwoch vergangener Woche über zehn Milliarden Euro an Wert verloren, die Marktkapitalisierung sank am Montag unter die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. Braun selbst dürften die Kursverluste um über eine halbe Milliarde Euro ärmer gemacht haben.

Am Dienstag sorgten Käufe von Kurzfrist-Spekulanten für eine kleine Gegenreaktion an der Börse. Nach einem Kurs-Crash um zeitweise gut 87 Prozent in drei Tagen auf etwa 14 Euro erholte sich die Wirecard-Aktie am Dienstag auf gut 17 Euro.

Wirecard (WKN: 747206)

Braun war am vergangenen Freitag wegen des Bilanzskandals um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zurückgetreten, die Münchner Staatsanwaltschaft hatte ihn am Montagabend festgenommen. Gegen eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro und gegen hohe Auflagen wurde der Haftbefehl heute außer Vollzug gesetzt. Braun muss sich nun wöchentlich bei der Polizei melden.

Brauns Festnahme und die anstehende Freilassung sind neuerliche Wendungen in dem dramatischen Kriminalfall um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Vorgeworfen werden Braun derzeit "unrichtige Angaben" in den Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation, doch kommen auch andere Straftaten in Betracht - etwa gewerbsmäßiger Betrug. "Wir führen unsere Ermittlungen ergebnisoffen", sagte die Sprecherin der Ermittlungsbehörde, Anne Leiding dazu.

Am Dienstag hat zudem die Finanzaufsicht BaFin ihre Anzeige wegen Marktmanipulation gegen Wirecard erweitert. "Wir haben heute eine Nachtrags-Anzeige bei der Staatsanwaltschaft München I wegen des Verdachts der Marktmanipulation erstattet", teilte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage von Dow Jones Newswires mit. "Die Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG vom 22. Juni 2020 verstärkt den Verdacht, dass die bilanzielle Darstellung zu Umsatzerlösen und Vermögensgegenständen in den Geschäftsberichten (zum 31.12.2016, 31.12.2017 und 31.12.2018) unrichtig war."

Damit verstärke sich der Verdacht, dass mit diesen Berichten Informationen verbreitet wurden, die falsche Signale für die Wirecard-Aktienkurs gegeben haben, womit gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen wurde.

Auf die Staatsanwaltschaft und auch die BaFin kommen jedenfalls langwierige Ermittlungen zu. Wesentliche Vorgänge spielten sich in Singapur und auf den Philippinen ab, dort hat die deutsche Justiz weder Zugriff auf Verdächtige noch auf Zeugen oder Akten.

Die Anzeichen deuten jedenfalls darauf hin, dass der kommissarische Wirecard-Chef James Freis aufräumen will. Seit Freis am vergangenen Freitag berufen wurde, hat das Unternehmen die mutmaßliche Nichtexistenz der 1,9 Milliarden offen eingeräumt und den zuvor nur freigestellten, fürs Asien-Geschäft zuständigen Vorstand Jan Marsalek gefeuert, der wenige Tage vorher noch unter Brauns Regie lediglich suspendiert worden war. (Mit Material von dpa-AFX)

Der Bilanzskandal um Wirecard wird kein gutes Ende nehmen, fürchten Marktteilnehmer. Die Rückkehr in dreistellige Kurs-Notierungen erscheint derzeit als sehr unwahrscheinlich. Das Risiko eines weiteren Kollapses der Wirecard-Aktie ist indes größer geworden. Für noch engagierte Anleger heißt das: Sichern Sie an freundlichen Börsentagen die Reste Ihres Wirecard-Investments. Für alle anderen gilt: Finger weg!

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