Beim insolventen Zahlungsabwickler Wirecard laufen nach Bekanntwerden des Bilanzskandals die Vorbereitungen für die Zerschlagung. Insolvenzverwalter Michael Jaffé teilte in dieser Woche mit, dass es bereits „mehr als 100 Interessenten“ gebe. Großes Interesse gibt es darüber hinaus wohl auch an der Wirecard Bank, die bislang nicht insolvent ist.
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg haben insgesamt 18 Parteien Interesse an der Wirecard Bank bekundet. Diese könnte zusammen mit angeschlossenen Tochtergesellschaften verkauft werden, bei denen wichtige Teile der Payment-Technologie von Wirecard angesiedelt sind, heißt es unter Berufung auf einen Insider.
Um wen es sich bei den Interessenten konkret handelt, geht aus dem Artikel nicht hervor. Nur so viel: Es seien Unternehmen, die eine Übernahme der Wirecard Bank auch finanziell stemmen könnten. Finanzinvestoren seien wegen hoher regulatorischer Hürden bei der Übernahme einer Bank nicht darunter.
Bereits bekannt ist, dass die Deutsche Bank wohl ihre Fühler nach der Banking-Sparte von Wirecard ausgestreckt hat (DER AKTIONÄR berichtete). CEO Christian Sewing hatte die Erwartungen in dieser Woche allerdings bereits gedämpft.
Die Zeit drängt
Die Wirecard Bank ist nicht insolvent und setzt den Geschäftsbetrieb derzeit uneingeschränkt fort. Sie steht aber unter der Kontrolle eines Sonderbeauftragten der Finanzaufsicht BaFin, der Zahlungsströme überwachen und Mittelabflüsse unterbinden soll. Keinen Einfluss hat dieser jedoch auf die Entwicklung der Kunden, und die könnten der Bank wegen des Bilanzskandals und der unklaren Zukunft nun schnell den Rücken kehren.
Um einen möglichst attraktiven Erlös zu erzielen, sollte der Verkauf daher möglichst zügig erfolgen. Ob Gläubiger und Aktionäre davon etwas sehen werden, steht aber ohnehin in den Sternen, denn die Wirecard Bank ist nicht Teil des Insolvenzverfahrens der Muttergesellschaft (DER AKTIONÄR berichtete).
Büros in Dublin durchsucht
Die Behörden sind derweil weiter auf der Suche nach Beweisen für die Vorwürfe, die sie dem Unternehmen und seinem früheren Top-Management zur Last legen – darunter Geldwäsche, Betrug, Bilanz- und Marktmanipulation. In diesem Zusammenhang hat die irische Polizei am Donnerstag auch die Büros von Wirecard in Dublin durchsucht. Dies sei auf Ersuchen der deutschen Behörde geschehen, berichtet die Financial Times (FT). Demnach waren auch Detektive für Cyberkriminalität an den Ermittlungen beteiligt.
Der frühere Chef der irischen Wirecard-Tochter war bereits in der Vorwoche in Deutschland verhaftet worden, befindet sich – genau wie Ex-CEO Markus Braun – aber gegen Kaution wieder auf freiem Fuß. Jan Marsalek, frühere Chief Operating Officer von Wirecard, befindet sich derweil weiterhin auf der Flucht.
Höchstens für Zocker
Nachdem es zur Wochenmitte nach einem erneuten Test der 2-Euro-Marke aussah, kann sich die Wirecard-Aktie am Freitagvormittag als größter DAX-Gewinner wieder etwas nach oben absetzen.
Angesichts des Insolvenzprozesses und der laufenden Ermittlungen rechnet DER AKTIONÄR weiterhin mit hoher Volatilität. Für Trader mag das reizvoll sein, langfristig orientierte Anleger sollten sich jedoch nach Alternativen umsehen. Drei davon finden Sie in der neuen Ausgabe von DER AKTIONÄR (29/2020).