Die vorläufigen Q1-Zahlen von Wirecard am Donnerstagmorgen haben gezeigt: Der Zahlungsabwickler ist auch zu Jahresbeginn signifikant gewachsen – allerdings nicht mehr ganz so stark wie in den Vorquartalen. Dabei spielte natürlich auch die Corona-Pandemie eine Rolle. Der Markt weiß das Zahlenwerk trotzdem nicht so recht einzuordnen.
Das äußert sich an den deutlichen Kursschwankungen, welche der DAX-Titel seit der Veröffentlichung am Morgen zeigt: In einer ersten Reaktion war der Kurs zum Xetra-Handelsstart kurzzeitig um rund vier Prozent gefallen, anschließend aber mit fast zwei Prozent ins Plus geklettert. Gegen Mittag notiert die Aktie erneut moderat im Minus – schlägt sich damit aber dennoch etwas besser als der schwache DAX.
Auch bei den Analysten rufen die Q1-Zahlen ein geteiltes Echo hervor: Umsatz- und ergebnisseitig habe der Zahlungsabwickler die Konsensschätzungen verfehlt, so Sandeep Deshpande von der US-Investmentbank JPMorgan. Zudem wollten die Anleger zunächst die offenen Fragen zu den vergangenen Geschäftsjahren geklärt wissen, bevor sie sich wieder auf das laufende Geschäft konzentrierten. Sein „Neutral“-Rating mit einem Kursziel von 150 Euro hat der Analyst bestätigt.
Wirecard-Bulle Knut Woller von der Baader Bank traut der Aktie mit einem fairen Wert von 240 Euro indes 90 Euro mehr Kurspotenzial zu und hat seine Kaufempfehlung bekräftigt. Trotz Gegenwind durch die Covid-19-Krise habe der Zahlungsabwickler einen soliden Start ins neue Jahr hinter sich. Positiv sei auch, dass das Neukundengeschäft weiter stark wachse.
Jahresprognose bestätigt
Mittelfristig bleibt das Management trotz Corona zuversichtlich und hat die EBITDA-Prognose für das Gesamtjahr von 1,0 bis 1,12 Milliarden Euro erneut bestätigt. Für das zweite Quartal seien die Effekte der Pandemie allerdings noch nicht endgültig abzuschätzen, teilte der Konzern weiter mit.
Vorstandschef Markus Braun demonstrierte aber Optimismus für die grundsätzliche Ausrichtung. Neuere Statistiken zeigten, dass der Coronavirus den Trend zu bargeldlosen und sogar zu vollkommen digitalisierten Zahlungen am Terminal vor Ort beschleunige. „Wir gehen davon aus, dass die Welt nach dem Coronavirus weit stärker digitalisiert sein wird als vorher“, sagte Braun.
Hohe Unsicherheit
Detaillierte Zahlen für das erste Quartal wird Wirecard voraussichtlich am 16. Juni veröffentlichen. Keine zwei Wochen vorher, am 4. Juni, steht nach aktuellen Planungen aber erst noch der Jahresfinanzbericht 2019 auf der Agenda. Dessen Veröffentlichung war im Zuge der Bilanz-Sonderprüfung durch KPMG mehrfach verschoben worden.
Der KPMG-Bericht konnte die von Kritikern geäußerten Bilanzzweifel Ende April nicht gänzlich ausräumen und hat stattdessen neue Fragen aufgeworfen. Die zweifelsohne positive operative Entwicklung wird dadurch weiterhin in den Hintergrund gedrängt. Die Unsicherheit unter den Investoren ist groß, eine nachhaltige Erholung der Aktie lässt bislang auf sich warten.
Was DER AKTIONÄR angesichts dieser Gemengelage rät, lesen Sie in der neuen Ausgabe (21/2020).
Mit Material von dpa-AFX.