Mit einem Kursgewinn von über 20 Prozent zählt die Aktie der STS Group AG zu den positiven Überraschungen des noch jungen Börsenjahres 2020. Nach einem noch im Dezember vermeldeten 230 Millionen-Euro-Deal im spannenden US-Markt konnte der bayerische Systemlieferant für die Automobilindustrie zuletzt eine Millionenorder für ein Hybridfahrzeug eines europäischen Sportwagenherstellers an Land ziehen.
„Mit dieser Order fassen wir Fuß im europäischen E-Mobility-Bereich und können unsere Kundenbasis zukünftig auch in Europa ausbauen“, erläutert STS-Group-CEO Andreas Becker im Interview mit dem AKTIONÄR. Rückenwind verspürt Becker zudem im chinesischen Markt, in dem STS im vergangenen Jahr mit einer Vielzahl an neuen Aufträgen punkten konnte. Als weiteren Vorteil sieht der Konzernlenker die Unabhängigkeit von der Entwicklung im Antriebsstrang.
DER AKTIONÄR: Herr Becker, die STS Group ist mit einem neuen E-Mobility-Auftrag ins Jahr 2020 gestartet. Mit einem Auftragsvolumen im einstelligen Millionenbereich ist es eine vergleichsweise kleine Order. Warum hat sie für die STS Group dennoch eine hohe Bedeutung?
"Wir sehen erhebliches Wachstumspotenzial im E-Mobility-Bereich in Europa wie auch in China."
Andreas Becker: Die besondere Bedeutung des aktuellen Auftrages ergibt sich erstens daraus, dass er eines unserer innovativen Produkte zur Abdeckung von kompletten Batteriesystemen umfasst. Mit dieser Technologie konnten wir im letzten Jahr bereits diverse Aufträge in China akquirieren. Und zweitens war es für uns besonders wichtig, mit diesem Produkt auch in den europäischen Markt einzusteigen. Mit dieser Order von einem namhaften Premiumsportwagenhersteller fassen wir Fuß im europäischen E-Mobility-Bereich und können unsere Kundenbasis zukünftig auch in Europa ausbauen. Wir sehen erhebliches Wachstumspotenzial im E-Mobility-Bereich in Europa wie auch in China.
DER AKTIONÄR: Die STS Group hat sich in der Vergangenheit einen Namen als innovativer Zulieferer für die Nutzfahrzeugindustrie gemacht. Wie passt der aktuelle Auftrag eines Sportwagenherstellers hierzu?
Andreas Becker: Grundsätzlich liegt unser Fokus auf Modellen mit mittleren Auftragsgrößen, in diesem Umfeld sind wir besonders wettbewerbsfähig aufgestellt. Diese Produktionsgrößen sehen wir in der Nutzfahrzeug-Industrie, aber auch bei Modellen der Luxus- oder Sportwagenklasse. Wir erwarten, dass auch im E-Mobility-Sektor ähnliche Volumina pro Fahrzeug produziert werden.
DER AKTIONÄR: Sie haben Ihre Aktivitäten im E-Mobility-Bereich in China angesprochen. Welche Lösungen bietet die STS Group schon heute für E-Fahrzeuge an und was haben Sie noch in der Pipeline?
Andreas Becker: In China konnten wir innerhalb kurzer Zeit bereits vier Aufträge für unser Abdeckungsmodul für komplette Batteriesysteme gewinnen. Zudem wurde wir im vergangenen Jahr auch für innovative Hybridtüren von einem chinesischen Elektrofahrzeughersteller beauftragt. Wir arbeiten kontinuierlich an der Entwicklung von weiteren Komponenten zur Gewichtsreduzierung, welche nicht nur für den E-Mobility-Bereich von besonderer Relevanz sind. Zudem bieten wir Produktlösungen, die auch den immer höheren Anforderungen an die Hitzebeständigkeit von Elektrofahrzeugen gerecht werden.
DER AKTIONÄR: Würden Sie die STS Group als Profiteur des Megatrends Elektromobilität sehen oder sind dies eher Verschiebungen innerhalb des von Ihnen angebotenen Produktspektrums?
"Hingegen sehen wir deutliche Wachstumschancen durch zusätzliche Projekte mit dem Eintritt in den E-Mobility-Markt."
Andreas Becker: Wir sehen uns definitiv als Profiteur der Elektromobilität. STS-Produkte, welche bei einem Wegfall des Verbrennungsmotors vom Markt verschwinden würden, machen aktuell kaum mehr als zwei Prozent unseres gesamten Angebotsspektrums aus. Hingegen sehen wir deutliche Wachstumschancen durch zusätzliche Projekte mit dem Eintritt in den E-Mobility-Markt.
DER AKTIONÄR: Große Pläne haben Sie auch in den USA. Im Dezember haben Sie im US-Markt einen Großauftrag über 230 Mio. Euro an Land gezogen und planen nun auch einen eigenen Produktionsstandort in Virginia. Wie attraktiv ist der US-Markt für Sie?
Andreas Becker: Der Eintritt in den US-Markt, der den weltweit drittgrößten Lkw-Markt darstellt, ist eines der wesentlichen strategischen Ziele, welche wir bereits zum IPO kommuniziert haben. Neben dem hohen Marktvolumen bieten uns die USA einen doppelt so hohen potenziellen Umsatz pro Fahrzeug im Vergleich zum europäischen Markt. Die Kunden schätzen insbesondere unser technisches Know-how im Bereich SMC und unser Qualitätsbewusstsein. Dadurch sind wir zuversichtlich, dass wir uns auch in den USA als strategischer und technologischer Partner für zusätzliche Kunden positionieren können.
DER AKTIONÄR: Kommen wir auf das generelle Branchenumfeld zu sprechen: Wie sehen Sie die aktuelle Marktsituation in Europa und mit welchen Erwartungen blicken Sie auf den weiteren Jahresverlauf?
Andreas Becker: Nachdem das zweite Halbjahr 2018 und auch das erste Halbjahr 2019 im europäischen Pkw-Markt durch einen starken Rückgang geprägt war, sehen wir hier eine Stabilisierung bis hin zu einer leichten Erholung des Marktes in 2020. Für den europäischen Nutzfahrzeugbereich, der im zweiten Halbjahr 2019 zurückgegangen ist, rechnen wir im laufenden Jahr mit einem weiteren moderaten Rückgang. Positive Impulse für unser Nutzfahrzeuggeschäft erwarten wir hingegen aus China.
DER AKTIONÄR: Sie sprechen China an: Obwohl sich auch der chinesische Automotive-Markt zuletzt schwach entwickelte, ist Ihr Segment China im dritten Quartal um 8 % gewachsen. Wie nachhaltig sind diese jüngsten Umsatzsteigerungen im chinesischen Markt?
"Für die weitere Entwicklung unseres China-Segments sind wir zuversichtlich."
Andreas Becker: Für die weitere Entwicklung unseres China-Segments sind wir zuversichtlich. Wobei wir für China vor allem aufgrund der Vielzahl von Projekt-Neuanläufen sehr positiv ins Jahr 2020 blicken. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnten wir in China eine Vielzahl an neuen Aufträgen akquirieren, welche zum Teil bereits ab 2020 positiv zur Umsatz- und Ergebnisentwicklung beitragen werden. Diese Entwicklung gibt uns Rückenwind.
DER AKTIONÄR: Die STS-Aktie konnte sich zuletzt deutlich von den Ihren Tiefstständen lösen. Mit welchen Argumenten wollen Sie bei potenziellen neuen Investoren punkten?
Andreas Becker: Das vergangene Jahr war grundsätzlich ein schwieriges Jahr für Aktientitel im Automotive-Bereich, speziell für junge Unternehmen am Kapitalmarkt wie die STS. Was hingegen unsere strategischen Ziele angeht, konnten wir 2019 bedeutende Erfolge verzeichnen. So haben wir mit unserem dritten Werk in China und dem erreichten Auftragseingang die Basis für das geplante Wachstum gelegt, konnten unsere innovativen Produkte für den E-Mobility-Markt erfolgreich am Markt positionieren und mit einem Großauftrag den Markteintritt in die USA forcieren. Mit allen diesen Meilensteinen haben wir gezeigt, dass wir unsere Strategie konsequent und nachhaltig verfolgen und bestens für die Zukunft aufgestellt sind. Hinzu kommt, dass wir als STS Group unabhängig von der Entwicklung im Antriebsstrang sind und weiteres Wachstumspotenzial identifiziert haben.
Die STS-Aktie hat seit Jahresbeginn deutlich Boden gut gemacht. Einem Börsenwert von 38 Millionen Euro steht ein erwarteter Umsatz für 2020 von 362 Millionen Euro gegenüber.
Das Papier ist auf dem aktuellen Niveau eine spannende Comeback-Spekulation im Bereich der Automobil-Zulieferer. Eine kleine Anfangsposition ist vertretbar. Stoppkurs: 5,50 Euro.