Das Übernahmeangebot von Liberty Steel für die Stahlsparte von ThyssenKrupp hat die ganze Branche aufgewirbelt. Im Sog von ThyssenKrupp – die Aktie legte zwischenzeitlich 25 Prozent zu, mittlerweile sind es noch rund zehn Prozent – klettern auch die Papiere von Salzgitter, Klöckner & Co oder ArcelorMittal jeweils etwa fünf Prozent nach oben.
Das Interesse von Liberty Steel signalisiert, dass die Stahlbranche noch nicht komplett abgeschrieben ist. Gibt es erste Fortschritte bei der Konsolidierung, dürfte sich das auf breiter Front positiv auswirken. Zudem hat sich die Nachfrage im dritten Quartal nach dem Corona-Crash wieder etwas erholt.
Beim Werkstoffhändler Klöckner & Co könnte zudem die Übernahmefantasie wieder aufflammen. Trennt sich ThyssenKrupp vom Stahlgeschäft, bleibt der Werkstoffhandel eine der verbliebenen Sparten. Um diese zu stärken, könnte eine Übernahme des kleineren deutschen Wettbewerbers, der stark für die Digitalisierung aufgestellt ist, eine Option darstellen – auch, wenn Klöckner & Co bislang kein Interesse an einem Zusammenschluss signalisiert hat.
Klar ist aber auch, dass die Stahlbranche nach wie vor mit Überkapazitäten, Billigimporten und der Schwäche der Autoindustrie als wichtigem Kunden zu kämpfen hat. Hinzu kommt, dass ein erneuter Lockdown in vielen Ländern nicht mehr auszuschließen ist. Liberty Steel selbst hat zudem keinen guten Ruf bei den Arbeitnehmern und dürfte noch auf viel Widerstand mit seinem Angebot stoßen.
Es erscheint fraglich, ob Liberty bei ThyssenKrupp zum Zug kommt. Angesichts der hohen Corona-Fallzahlen droht zudem ein erneuter Rückschlag bei der Erholung. DER AKTIONÄR bleibt deshalb für die Stahlhersteller vorsichtig – es gibt nach wie vor attraktivere Werte. Bei Klöckner & Co können spekulative Anleger eine kleine Position aufbauen. Die günstige Bewertung unter Buchwert, die starke Position bei der Digitalisierung und ein Schuss Übernahmefantasie sprechen für den SDAX-Wert.