Der weltgrößte Verkehrsflugzeugbauer Airbus kann seine Marktführerschaft weiter ausbauen. Im zu Ende gehenden Jahr wird der europäische Konzern wohl doppelt so viele Flieger ausliefern wie Erzkonkurrent Boeing. Den Amerikanern droht zudem wegen der beiden tödlichen Abstürze von Maschinen des Typs 737 Max offenbar nun doch ein teurer Gerichtsprozess.
Ein US-Gericht hat eine gütliche Vereinbarung zwischen Boeing und der US-Regierung abgelehnt, durch die der Flugzeugbauer einem Gerichtsprozess um zwei tödliche Abstürze von Maschinen des Typs 737 Max entgangen wäre. Ein Richter in Texas ordnete neue Gespräche der Parteien an.
Boeing hatte sich im Juli schuldig bekannt, die US-Regierung bei der Zertifizierung von Flugzeugen betrogen zu haben. Das öffnete die Tür für eine Vereinbarung, die unter anderem eine neue Millionenstrafe sowie einen Aufpasser des Justizministeriums für den Konzern vorsah. Familien von Opfern der Abstürze hatten den Deal heftig kritisiert und Milliardenstrafen sowie andere Konsequenzen für Boeing gefordert.
Dem Konzern wurde danach in einem Strafverfahren Betrug vorgeworfen, weil Mitarbeiter des Flugzeugbauers bei der Zertifizierung des Typs durch US-Behörden spezielle Schulungen für die Software für unnötig erklärt hatten.
Bei den Unglücken im Oktober 2018 und März 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Boeing hatte seinerzeit eine Strafverfolgung unter anderem mit dem Versprechen vermieden, ein Compliance- und Ethik-Programm umsetzen. Auch zahlte der Konzern eine Strafe von 243,6 Millionen Dollar.
Zwischen September und November wurde Boeing von einem großen Streik beeinträchtigt, an dem sich 33.000 gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter beteiligen. Der Streik der International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) konnte Anfang November beendet werden, nachdem man sich auf Lohnerhöhungen von 38 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren und hohe Einmalzahlungen geeinigt hatte (DER AKTIONÄR berichtete).
Die Flugzeugproduktion des US-Konzerns litt dadurch erheblich. Im Gesamtjahr 2024 wird Boeing voraussichtlich nur 375 Flieger ausliefern. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es 528. Konkurrent Airbus schaffte im vergangenen Jahr 735 Flugzeuge und hatte zum fünften Mal in Folge die Krone der Auslieferungen gewonnen.
Bereits sicher ist: Auch 2024 wird Airbus deutlich mehr Flugzeuge als Boeing an die Kunden bringen. Der europäische Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, insgesamt 770 Jets auszuliefern. Bis Ende November wurden 643 Maschinen übergeben, teilte Airbus am Freitag in Toulouse mit. Allein im November hat Airbus 84 Maschinen ausgeliefert, im Dezember müssten noch 127 folgen. Das Gesamtziel könnte leicht verfehlt werden, obwohl die Auslieferungen zum Jahresende üblicherweise anziehen.
Airbus kämpft immer noch mit Lieferproblemen von Zulieferern, insbesondere der Triebwerkshersteller. Immerhin konnte Airbus mit dem Triebwerksbauer CFM kürzlich einen exklusiven Deal abschließen und erhält fertige Düsen, die 'nur noch' unter die bereitstehenden Jets montiert werden müssen (DER AKTIONÄR berichtete).
Die Airbus-Aktie legt seit dem CFM-Deal deutlich zu. Vom Tief am Mittwoch, 27.11.24, als der Deal bekannt wurde, bis zum heutige Freitag-Vormittag hat der DAX-Wert 15 Prozent zugelegt. Aktuell steht die Aktie mit einem Tagesplus von 1,6 Prozent bei 156,02 Euro. Der Abstand zur Boeing-Aktie, die zuletzt nur seitwärts tendierte, vergrößert sich damit weiter.
Airbus bleibt weiterhin die Nummer 1 der Verkehrsflugzeug-Bauer, Boeing bleibt wohl noch jahrelang zurück. DER AKTIONÄR hat die Airbus-Aktie bereits im Januar 2023 zum Kauf empfohlen, damals zu 117,96 Euro. Engagierte Anleger bleiben dabei, das Kursziel liegt derzeit bei 170 Euro. Auch die bisherigen Rekordkurse bei gut 172 Euro vom März dürften über kurz oder lang übertroffen werden.