Die Aktie von Morphosys hat in den vergangenen Monaten massiv unter Druck gestanden. Zuletzt konnte sich das Papier etwas stabilisieren. DER AKTIONÄR hat vor Kurzem mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Jean-Paul Kress über die jüngsten Entwicklungen bei Morphosys sowie die Perspektiven gesprochen.
DER AKTIONÄR: Morphosys hat zuletzt bekannt gegeben, dass man sich auf Forschungsstandort in den USA schließen will und die Forschung in Deutschland konzentrieren will. Was sind die Gründe?
Jean-Paul Kress: Im Zuge der Integration von Constellation Pharmaceuticals haben wir verschiedene Optionen analysiert, wie wir unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten am besten priorisieren können. Um Synergien zu nutzen, haben wir beschlossen, unsere personellen und finanziellen Mittel auf die Beschleunigung der klinischen Studien und auf die am weitesten fortgeschrittenen und vielversprechendsten präklinischen Forschungsprogramme zu konzentrieren. Wir bauen unsere klinischen Entwicklungsteams sowohl in Deutschland als auch in den USA weiter aus, um unsere drei Zulassungsstudien für Pelabresib und Tafasitamb voranzutreiben.
Da Morphosys bisher nicht in den USA geforscht hat, haben wir die frühen präklinischen Projekte, an denen Constellation gearbeitet hat, eingestellt und alle Laboraktivitäten hier in Deutschland gebündelt. Dies war eine bewusste Entscheidung, um unseren Forschungsstandort in Planegg zu stärken.
Die Umsatzentwicklung mit Monjuvi verläuft schleppender als gedacht. Welche Pläne gibt es, dies zu forcieren?
Seit der Markteinführung sind rund 2.000 Patienten in den USA mit Monjuvi behandelt worden und wir haben es geschafft, den größten Marktanteil bei den neuen Zweitlinienbehandlungen des diffus-großzelligen B-Zell-Lymphoms zu erreichen. Ich finde das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass Monjuvi erst seit relativ kurzer Zeit in den USA verfügbar ist. Das reicht aber natürlich nicht. Unsere größte Aufgabe ist es, die Ärzte über die optimale Therapiedauer und die Vorteile einer längeren Behandlung mit Monjuvi aufzuklären. Traditionell behandeln Ärzte diese Patientengruppe nur einige Monate lang – dies entspricht auch dem, was wir aktuell mit Monjuvi beobachten. Das liegt allerdings unter dem optimalen Behandlungsschema für eine Immuntherapie wie Monjuvi. Wir arbeiten weiter daran, dieses Behandlungsverhalten zu ändern und die Therapiedauer zu verlängern – das ist allerdings ein Marathon, kein Sprint.
Sehen Sie weitere Zulassungschancen für Tafasitamab?
Wir wollen die Einsatzmöglichkeiten von Tafasitamab deutlich erweitern und sehen das größte Potenzial in der Erstlinienbehandlung von DLBCL – dort ist der medizinische Bedarf besonders hoch. Die Rekrutierung für unsere zulassungsrelevante frontMIND-Studie in dieser Indikation läuft sehr gut und das Interesse der medizinischen Fachwelt ist groß. Wir rechnen mit Phase 3-Daten im Jahr 2025. Wir sehen auch großes Interesse an der inMIND-Studie, unserer zweiten laufenden Zulassungsstudie bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem follikulärem Lymphom oder Marginalzonen-Lymphom.
Was hat Morphosys noch in der Pipeline? Bei welchen Projekten sind in den kommenden Monaten News zu erwarten?
Unser größter Hoffnungsträger ist der Wirkstoff Pelabresib, den wir aktuell in einer Phase-3 Studie zur Erstlinien-Behandlung bei Myelofibrose, einer seltenen Form von Knochenmarkskrebs, untersuchen. Pelabresib ist eines der Präparate, die wir durch die Übernahme von Constellation Pharmaceuticals erworben haben, und hat das Potenzial, die Standardtherapie bei Myelofibrose zu verbessern. Die im Dezember vorgestellten Pelabresib-Daten, machen uns zuversichtlich, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Wir glauben, dass Pelabresib ein Umsatzpotenzial von mehr als 1 Mrd. Dollar hat. Im Laufe dieses Jahres rechnen wir noch mit Daten aus den beiden Phase-2 Programmen mit unserem EZH2-Inhibitor, CPI-0209, und unserem CD38-Antikörper Felzartamab.
2022 wird außerdem ein spannendes Jahr für zwei unserer auslizensierten Entwicklungsprogramme: Roche plant im vierten Quartal Daten aus den beiden zulassungsrelevanten GRADUATE-Studien mit Gantenerumab bei der Alzheimer-Erkrankung bekannt zu geben. Und wir erwarten, dass GSK Phase 3-Daten für Otilimab bei rheumatoider Arthritis vorlegen wird. Für beide Programme behalten wir Lizenzgebühren.Wo sieht Morphosys langfristig den Fokus?
Wir wollen mit unseren neuartigen Medikamenten krebskranken Menschen ein besseres und längeres Leben ermöglichen. Dafür sind wir gut aufgestellt: Mit der Übernahme von Constellation Pharmaceuticals ist unsere Pipeline so stark wie nie und wir sind nun auf dem Weg ein führendes Unternehmen im Bereich der hämatologischen Onkologie zu werden. Pelabresib könnten wir in drei Jahren auf den Markt bringen, das ist nicht mehr lange für unsere Branche. Und 2026 wollen wir profitabel sein und einen positiven Cashflow erzielen.