Nach dem dritten Quartal kommen die Jahresprognosen der Unternehmen auf den Prüfstand. Reicht es für weiter steigende Kurse? „Im laufenden Jahr können sich Anleger wirklich nicht wegen Langeweile beklagen. Erst konnten die Kurse von Aktien und Anleihen nicht schnell genug steigen, nur um dann genauso schnell wieder zu fallen. Die Märkte stehen vereinfacht gesagt im Spannungsfeld zwischen expansiver Geldpolitik und globalen Wachstumssorgen“, sagt Marco Herrmann von der Fiduka Depotverwaltung.
Die schwächeren Wirtschaftsdaten und insbesondere der Preisverfall bei den Rohstoffen spiegeln sich in den Quartalsberichten vieler Unternehmen wider. Während man noch zur Jahresmitte hoffen konnte, dass bei einem günstigen Umfeld die Jahresprognosen zu erreichen wären, ist diese Phantasie jetzt Anfang November nicht mehr vorhanden. „Entsprechend ist die laufende Berichtssaison nichts für schwache Nerven. Ungewöhnlich stark reagieren derzeit die Aktienkurse auf enttäuschende Gewinnberichte oder reduzierte Zukunftsprognosen. Mit Kursverlusten von über zehn Prozent und in einigen Fällen sogar von über 20 Prozent, strafen die Börsianer diese Unternehmen massiv ab. Der durchschnittliche Kursabschlag auf einen sogenannten ‚earnings miss‘ liegt in diesem Quartal auf dem höchsten Niveau seit vielen Jahren. Wenn man den Statistiken glauben darf, läuft die europäische Berichtssaison auf den ersten Blick besser als sie sich anfühlt. Rund 51 Prozent der Unternehmen liegen mit ihren Gewinnausweisen über den Analystenschätzungen – das ist nur knapp unter dem langjährigen Durchschnitt von 53 Prozent. Bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch die Gründe für die Kursturbulenzen im Spätsommer: Die Anzahl der enttäuschenden Berichte liegt mit fast 40 Prozent rund ein Drittel über den Werten der vergangenen Jahre. Bei den Umsätzen sind die Daten noch ernüchterter – nur ein Drittel konnte die Erwartungen übertreffen“, sagt Marco Herrmann.
Aktien werden steigen
Kein Wunder, dass die Gewinnschätzungen für die europäischen Unternehmen spürbar nach unten revidiert werden. Insgesamt wird jetzt für 2015 nur noch ein kleines Gewinnplus erwartet. Auch für das nächste Jahr ist man nicht mehr so optimistisch, der Markt hat diese Nachrichten aber bereits eingepreist. Bei der einen oder anderen Aktie könnte es noch zu starken Kursausschlägen kommen, für den Gesamtmarkt ist die Berichtssaison abgehakt. Jetzt gilt es nach vorne zu schauen. „Liquidität ist weiterhin im Überfluss vorhanden und wird eher mehr werden, wenn die EZB spätestens im Frühjahr neue Maßnahmen beschließt. Die Frühindikatoren signalisieren für die Eurozone eine leichte Konjunkturerholung und der wieder festere US-Dollar verbessert die Wettbewerbssituation. Sofern die Weltwirtschaft nicht in eine Rezession abgleitet, dürften die Aktienkurse in einem Jahr höher stehen als heute. Die Bäume werden aber nicht in den Himmel wachsen, dafür ist das Wirtschafts- und damit das Gewinnwachstum einfach zu schwach“. Bleibt Herrmann für die nächsten Wochen durchaus optimistisch.