Das Versicherungs-Start-up Lemonade hat ein fulminantes Debüt an der US-Börse gefeiert. Nach einem Ausgabepreis von 29 Dollar, gingen die Papiere bei 69,41 Dollar aus dem Handel – ein Plus von 140 Prozent. Positiver Nebeneffekt: Das IPO hat auch den AKTIONÄR-Hot-Stock DFV Deutsche Familienversicherung in deutlich höhere Kursregionen geschoben.
Zum Ausgabepreis wurde Lemonade mit rund 1,6 Milliarden Dollar bewertet, zum ersten Kurs waren es schon 2,75 Milliarden Dollar, am Ende stand ein Börsenwert von 3,8 Milliarden Dollar zu Buche. Hauptaktionär ist der japanische Technologieinvestor Softbank (Anteil: 27,3 Prozent).
Was macht Lemonade? Die Amerikaner verfügen über eine eigene Versicherungslizenz und bieten Haftpflicht- und Hausratsversicherungen an – aber ohne Makler oder Vertreter, nur über das Internet oder über eine App. Dazu wurden bei dem sogenannten Insurtech alle notwendigen Prozesse digitalisiert. Die Risikosituation des Versicherten wird dank künstlicher Intelligenz innerhalb kürzester Zeit analysiert. Für eine Deckungszusage brauchen die Algorithmen dem Vernehmen nach nur 90 Sekunden, für die Schadenabwicklung drei Minuten. Das Gros der Kunden ist unter 35 Jahre alt.
Lemonade wächst rasant, schreibt aber noch rote Zahlen. Das gilt auch für den heimischen Branchenvertreter DFV Deutsche Familienversicherung (Börsenwert: 345 Millionen Euro). Die Entwicklung von Lösungen für Zahn-, Kranken- und Pflegezusatzversicherungen zählt zu den Kernkompetenzen des Unternehmens. Außerdem bietet die DFV auch Schaden- und Unfall- sowie verschiedene Sachversicherungen.
Vom jährlichen Prämienvolumen (rund 100 Millionen Euro) sind beide Insurtechs vergleichbar, doch bei den restlichen Kennzahlen gibt es einige Unterschiede: Lemonade ist bei gebuchten Bruttobeiträgen 2019 mit 147 Prozent schneller als DFV (37 Prozent) gewachsen. Allerdings geben die US-Amerikaner auch mehr als dreimal soviel für Marketing und Vertrieb aus (2019: 89 Millionen Dollar gegenüber 28 Millionen Dollar). Aber auch bei den Verlusten hat Lemonade mit 108 Millionen Euro klar die Nase vorne. Das deutsche digitale Versicherungsunternehmen hat 2019 nur zwei Millionen Euro versenkt.
Fakt ist: Beide Insurtechs wollen die Versicherungsbranche aufmischen. Das Lemonade-IPO hat den DFV-Kurs in den letzten Tagen deutlich angeschoben. Während die DFV an der Börse gerade mal mit dem gut dreifachen Jahresumsatz bewertet wird, kommt Lemonade auf eine mehr als 16-fache Umsatzbewertung.
Warum wird ein Versicherungs-Startup aus den USA um ein Vielfaches von einem bewertet, das den Break-even in Sichtweite hat? Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Lemonade ist zu teuer und die DFV-Aktie könnte die jüngste Aufwärtsbewegung – der Kurs hat in den letzten Tagen über 40 Prozent an Wert zugelegt – noch bis in den Bereich um 30 Euro fortsetzen. DER AKTIONÄR hat die DFV-Aktie Anfang des Jahres in Ausgabe 02/20 als "Hot-Stock" bei Kursen um 16 Euro vorgestellt. Anleger nutzen den jüngsten Kurssprung, um erste Gewinn einzustreichen. Beim Rest lautet das neue Ziel 30 Euro. Der Stopp wird auf 21,50 Euro nachgezogen.