Infineon stellt sich wegen der weiter angespannten Konjunkturlage auf eine herausfordernde erste Jahreshälfte ein. Saisonal bedingt rechnet der Chiphersteller dabei aber bereits im zweiten Quartal mit einem leichten Umsatzanstieg und einem deutlichen Anstieg in der zweiten Jahreshälfte. An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die DAX-Aktie legte kräftig zu. DER AKTIONÄR fasst zusammen.
Obwohl Infineon ein solides Schlussquartal 2018/19 ablieferte, gibt sich Vorstand Reinhard Ploss mit Blick auf das neue Geschäftsjahr zurückhaltend. "Die weltweit schwache Automobilnachfrage spüren wir deutlich und erwarten vorerst keine Besserung", so der Konzernchef. Eine Erholung erwartet er nicht vor der zweiten Jahreshälfte. Ungeachtet dessen soll Infineon im Geschäftsjahr 2019/20 (per 30. September) weiter wachsen.
So erwartet der Halbleiterspezialist bei den Umsätzen ein Plus von fünf Prozent (plus oder minus zwei Prozentpunkte) zum Vorjahr. Für das Segment Automotive soll das Umsatzwachstum leicht über dem Konzernschnitt liegen. Im Geschäftsjahr 2019 hatte das Konzernwachstum sechs Prozent erreicht, die Umsätze waren auf rund 8,0 Milliarden Euro gestiegen. Die operative Marge (Segmentergebnis-Marge) soll in der Mitte der Umsatzspanne etwa 16 Prozent erreichen und damit etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen (16,4 Prozent).
Infineon peilt zudem Investitionen von rund 1,3 Milliarden Euro an. Das größte Einzelprojekt bleibt dabei der weitere Ausbau der Produktionskapazitäten für die neue 300-Millimeter-Fertigung im österreichischen Villach. Dort erwartet Infineon den Produktionsstart nun zum Ende des Kalenderjahres 2021.
Für das bereits laufende, typischerweise schwache Auftaktquartal geht der Chiphersteller allerdings von einem deutlichen Umsatzrückgang von sieben Prozent (plus oder minus zwei Prozentpunkte) im Vergleich zum Vorquartal aus. Die Segmentergebnis-Marge erwartet der Konzern bei etwa 13 Prozent. Infineon verdeutlichte in diesem Zusammenhang, dass der Konzern eine vorübergehende Unterauslastung seiner Kapazitäten zu managen habe und erhöhte Leerstandskosten anfielen.
Händler sprachen in ersten Reaktionen von überzeugenden Quartalszahlen. So hat Infineon aus Sicht von Analyst Veysel Taze vom Bankhaus Lampe im Schlussquartal besser als erwartet abgeschnitten, die Signale für das erste Quartal seien allerdings mau. Alexander Duval von der US-Investmentbank Goldman Sachs lobte den Halbleiterkonzern derweil für seine soliden Ergebnisse, die Jahresziele für 2020 lägen zudem im Rahmen der Erwartungen.
Im abgelaufenen Schlussquartal übertraf Infineon sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Ergebnis leicht seine eigene Prognose und jene der Analysten. Während die Erlöse zum Vorquartal um zwei Prozent auf 2,06 Milliarden Euro stiegen, lag das Plus im Jahresvergleich bei ein Prozent. Das Segmentergebnis ging im Quartalsvergleich um zwei Prozent und im Jahresvergleich um rund ein Fünftel auf 311 Millionen Euro zurück, die Marge lag bei 15,1 Prozent.
Beim Umsatz profitierte der Halbleiterspezialist vom stärkeren US-Dollar und vor allem von saisonal bedingt höheren Erlösen in der PMM-Sparte, in der das Geschäft mit Chips für die Stromversorgung sowie mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets gebündelt ist. Während die Erlöse in den Sparten mit Chips für die Autoindustrie (ATV) und für die Industrie (IPC) jeweils leicht über dem Vorquartal lagen, gingen sie im Geschäft mit Chips für digitale Sicherheitslösungen (DSS) zurück.
Der Gewinn sackte im letzten Jahresviertel im Vergleich zum Vorquartal insgesamt um 28 Prozent auf 161 Millionen Euro ab. Infineon begründete dies mit einem deutlich höheren Steueraufwand sowie mit einer erhöhten Risikovorsorge für mögliche Rechtsstreitigkeiten.
Vorstandschef Ploss hält die langfristigen Wachstumstreiber für intakt. Obwohl der Konzern aktuell die Auswirkungen der in allen Regionen der Welt rückläufigen Autoproduktion spürt, bleibt er für die langfristige Entwicklung im Automotive-Geschäft zuversichtlich. In modernen Autos werden immer mehr Halbleiter und Sensoren verbaut, etwa für Fahrerassistenzsysteme. Davon profitiert auch Infineon, das mit Chips für die Autoindustrie den Löwenanteil seines Umsatzes macht.
Mit Blick auf die beabsichtigte Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor bleibt der Konzern optimistisch. Ploss betonte, dass er weiter davon ausgehe, den Zukauf Ende 2019 oder Anfang 2020 abschließen zu können. Infineon werde damit in Zukunft einen deutlich größeren Fußabdruck in den USA hinterlassen. Bereits seit einigen Monaten bereiteten Teams von Infineon und Cypress die Zusammenführung vor. Nachdem kürzlich die EU grünes Licht signalisierte, fehlt allerdings noch die Zustimmung der US-Wettbewerbshüter.
Die Aktionäre sollen eine unveränderte Dividende von 27 Cent je Aktie erhalten. Durch die im Zuge der Cypress-Übernahme durchgeführte Kapitalerhöhung und eine damit rund zehn Prozent höhere Aktienzahl steigt die Ausschüttung auf 336 Millionen Euro. Finanzchef Sven Schneider betonte unterdessen, dass die Dividende auch künftig mindestens stabil gehalten werden solle.
DER AKTIONÄR hat in den letzten Wochen Anlegern mit Weitblick immer wieder geraten, eine Position auf- oder auszubauen. Mit Erfolg: Die mittel- und langfristigen Aussichten sind unverändert gut. Die strukturellen Treiber intakt. Dass die nächsten Monate noch schwächer ausfallen werden, war ebenfalls bekannt.
Große Überraschungen sind also ausgeblieben – bei den Zahlen und beim Ausblick. Die Aktie legte dennoch kräftig zu. Erweist sich der Kurssprung über die 19-Euro-Marke als nachhaltig, würde ein frisches Kaufsignal mit Ziel 20/21 Euro generiert. Kurzfristig dürfte sich die Aktie aber recht volatil präsentieren und auch weiterhin von Analystenstimmen, Aussagen der Wettbewerber und den Fortschritten im Handelsstreit zwischen den USA und China sowie Europa beeinflusst werden.Mit Material von dpa-AFX