Der Kochboxenversender HelloFresh schaut trotz konjunkturellen Gegenwinds mit gemischten Gefühlen auf die kommenden Jahre. Dabei rechnet der Vorstand weiter damit, dass das mittelfristige Umsatzziel machbar ist. Beim operativen Ergebnis dürfte allerdings nur das untere Ende der bisher geplanten Spanne erreicht werden.
Auf dem Weg bis 2025 setzt Konzernchef Richter vor allem auf erweiterte Bestelloptionen und Zusatzprodukte. Im Detail sollen Kunden während des Bestellprozesses mehr Möglichkeiten für Anpassungen erhalten. Bei Gerichten können sie dann für eine Zusatzgebühr etwa höherwertiges oder eine andere Sorte Fleisch auswählen. Zudem warten am Ende des Einkaufs – ähnlich wie im Kassenbereich in Supermärkten – optionale Nachspeisen, Snacks und Getränke. Auch diese können für einen Extra-Beitrag in das Paket hinzugefügt werden. Dieses Jahr soll der sogenannte HelloFresh Market in Frankreich, Dänemark und Schweden starten. Die Konzernspitze erhofft sich dadurch neben einem größeren Durchschnittsbestellwert auch eine höhere Bestellrate.
Wachsen soll HelloFresh auch durch die Expansion in neue Märkte sowie durch das Lancieren neuer Marken. In den USA vertreibt der Konzern bereits mit Good Chop auf eigene Faust Fisch und Fleisch. Bald will Konzernchef Dominik Richter sogar Tiernahrung ins Programm nehmen. Schon länger konzentriert sich HelloFresh nicht mehr ausschließlich auf seine Kochboxen, mit denen das Unternehmen groß geworden ist. Vor allem Zusatzprodukte – zuletzt die Fertiggerichte von Factor – machen den Großteil des Wachstums aus.
Ende des Jahres will das Unternehmen das Geschäft mit Fertiggerichten in Europa ausrollen. Bis 2025 soll sich der Umsatz mit sogenannten Ready-To-Eat-Mahlzeiten mehr als verdoppeln. HelloFresh hofft dabei auf eine große Kundenbasis, weil frisch zubereitetes Essen "eines der am schnellsten wachsenden Segmente" im Lebensmittelgeschäft sei und Verbraucher verstärkt auf gesunde Gerichte achten. In den USA – dem mit Abstand wichtigsten Einzelmarkt von HelloFresh – sei Factor bereits profitabel. Einen möglichen "Kanibalisierungseffekt" bei Kunden, die zwischen Kochboxen und Fertiggerichten wählen, sieht Richter nicht. Ihm sei egal, für welche der beiden Lösungen sich die Verbraucher entscheiden: "Am Ende landet das Geld bei einem unserer Geschäftsbereiche", sagte er.
All das soll HelloFresh helfen, das Umsatzziel von 10 Milliarden Euro im Jahr 2025 zu erreichen. Finanzchef Christian Gaertner zeigte sich zuversichtlich und bestätigte diese Prognose.
Die Analysten bleiben aber weiter skeptisch. Die US-Bank JPMorgan hat das Kursziel für HelloFresh zwar von 17 auf 18 Euro angehoben, aber die Einstufung auf "Underweight" belassen. Der Kochboxenlieferer habe die mittelfristigen Ziele bestätigt, was die Schätzungen zweifellos steigen lassen dürfte, schrieb Analyst Marcus Diebel in einer am Freitag vorliegenden Studie. Konjunkturelle Sorgen und Kannibalisierungseffekte im Produktportfolio wögen aber schwer.
Das US-Analysehaus Bernstein Research hat HelloFresh auf "Underperform" mit einem Kursziel von 17 Euro belassen. Die bestätigten mittelfristigen Ziele des Kochboxenlieferers sollten diejenigen Anleger beruhigen, die eine Senkung befürchtet hätten, schrieb Analyst William Woods in einer am Freitag vorliegenden Studie. Zudem habe das Management einen guten Einblick in die Profitabilität der einzelnen Bereiche sowie in die operativen Geschäfte gegeben. Er bleibe aber vor allem mit Blick auf die Umsatzentwicklung vorsichtig und liege mit seinen Schätzungen unter den mittelfristigen Unternehmenszielen.
Für die HelloFresh-Aktie ging es am Donnerstag deutlich nach oben. Mehr als sieben Prozent konnte das Papier zulegen und war damit hinter Nemetschek der zweitgrößte Gewinner des Tages im MDAX. Am heutigen Freitag muss die Aktie aber bereits wieder einen Teil der Gewinne abgeben. Es geht gut drei Prozent abwärts auf 17,35 Euro. Damit ist HelloFresh heute der derzeit drittschwächste Wert des Tages im MDAX. Derzeit ist die Aktie kein Kauf. Erst eine klare Trendumkehr würde das Bild wieder aufhellen.
(Mit Material von dpa-AFX)