Die Corona-Krise verschafft Fracht-Reedereien in aller Welt einen ungeahnten Boom. Auch Hapag-Lloyd konnte sich in den Wochen vor Weihnachten vor der immensen Nachfrage kaum retten. Viele Unternehmen füllen ihre krisenbedingt geleerten Lager auf und Menschen im Lockdown bestellen noch mehr Dinge aus Fernost als sonst. Das zeigt sich auch im Kursverlauf.
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Ob neue Möbel fürs Wohnzimmer, eine Bohrmaschine zum Heimwerken oder ein Rudergerät für die eigenen vier Wände: Während der Corona-Pandemie wächst die Nachfrage nach Sachen, die das Leben zu Hause schöner machen. Wenn Restaurants geschlossen seien und der Urlaub ausfalle, hätten die Leute Geld für andere Dinge übrig, erklärt Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen die erhöhte Nachfrage nach Containertransporten.
Besser als erwartet
Das zeigt sich auch im Zahlenwerk des Containerriesen: Dass das Geschäft ab dem Sommer von selbst so gut laufen würde, hatte man auch in Hamburg nicht erwartet. So hob der Vorstand Anfang Dezember zum zweiten Mal in diesem Jahrseine Gewinnprognose an. Jetzt soll der Gewinn vor Zinsen und Steuern in diesem Jahr 1,25 bis 1,35 Milliarden Euro erreichen – nach 811 Millionen im Vorjahr. Noch im März hatte der Vorstand nur 0,5 bis 1,0 Milliarden angepeilt. Allein im dritten Quartal sprang der Gewinn um zwei Drittel auf 252 Millionen Euro in die Höhe – obwohl Hapag-Lloyd weniger Container beförderte als ein Jahr zuvor.
Dabei profitierte die Reederei von gesunkenen Treibstoffkosten, konnte die Transportpreise bei ihren Kunden aber stabil halten. Hinzu kamen die Kostensenkungen aus dem Sparprogramm. Im Herbst reichten die Schiffe kaum aus, um gewaltige Gütermengen zu ihren Abnehmern zu transportieren.
Sechs neue Schiffe
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, rüstet die Reederei auf. Dazu wurden für rund eine Milliarde Dollar sechs Containerschiffe mit einer Kapazität von jeweils mehr als 23.500 Standardcontainern (TEU) bestellt. Lieferbeginn für die Schiffe, die sowohl mit Flüssigerdgas (LNG) als auch mit konventionellem Treibstoff betrieben werden sollen, ist aber erst im April 2023. "Mit der Investition in diese Großcontainerschiffe werden wir nicht nur unsere Stückkosten senken und unsere Wettbewerbsfähigkeit im Europa-Fernost-Handel verbessern können, sondern auch einen bedeutenden Schritt bei der Modernisierung unserer Flotte machen", so der Hapag-Lloyd-Chef. Außerdem verbessere sich der ökologische Fußabdruck der Reederei. Hapag-Lloyd verfügt nach eigenen Angaben über 234 Containerschiffe und eine Gesamttransportkapazität von 1,7 Millionen TEU.
Im gesamten vierten Quartal rechnet Habben Jansen bei den Transportmengen mit einem Zuwachs im niedrigen einstelligen Prozentbereich im Vergleich zum Vorjahr. In der Zentrale der Reederei geht man davon aus, dass der Boom noch bis ins neue Jahr hinein anhält – mindestens bis zum chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar.
Nachfrage bleibt hoch
Und es könnte 2021 noch besser kommen für die Reederei, die weltweit mehr als 600 Häfen miteinander verbindet. Kunden, die sich nicht rechtzeitig Platz für ihre Waren an Bord sicherten, hätten jetzt zu kämpfen, sagte Habben Jansen. Er erwartet, dass die Nachfrage im neuen Jahr erst einmal steigt, weil Kunden solche Szenarien künftig vermeiden wollten.
Volatiler Kursverlauf
Die Aktie zeigte sich im laufenden Jahr extrem volatil. Von rund 76 Euro Ende 2019 tat sich bis Mitte April erst einmal nicht viel, dann aber schoss der Kurs über mehrere Wochen hinweg steil nach oben – bis er im Mai bei 186 Euro ein Rekordhoch erreichte. Dann sackte er bis Ende Juni wieder auf rund 50 Euro ab, Ende September waren es nur noch gut 40 Euro. Dann griffen die Anleger wieder beherzt zu und trieben den Kurs bis kurz vor Weihnachten wieder auf knapp 86 Euro hoch – eine Verdopplung in nur drei Monaten. Das Plus seit Anfang Januar beträgt dennoch nur rund zehn Prozent. Begünstigt haben dürfte die Kursschwankungen der mit rund 15 Milliarden Euro bewerteten Gesellschaft der Streubesitz von nur 3,6 Prozent.
Analysten uneins
Branchenexperten sind mit Blick auf die Hapag-Lloyd-Aktie gespalten. Von sieben Analysten, die ihre Einschätzungen seit der Erhöhung der Gewinnprognose Anfang Dezember aktualisiert haben, raten nur zwei zum Kauf der Aktie. Zwei tendieren zum Halten und drei empfehlen den Verkauf. Im Schnitt schreiben sie dem Papier ein Kursziel von rund 73 Euro zu - und liegen damit ein Stück unter dem jüngsten Kursniveau. Allerdings liegen ihre Erwartungen teils deutlich auseinander.
Risikobewusste Anleger können auf dem aktuellen Niveau eine kleine Position beimischen, um von der starken Nachfrage in der Branche zu profitieren – und bei der nächsten Aufwärtswelle mit an Bord zu sein.
(Mit Material von dpa-AFX)