Die Veröffentlichung des KPMG-Berichts in der Vorwoche hat sich für Wirecard zum PR- und kurstechnischen Fiasko entwickelt. Während die Aktie weiter an Boden verliert, werden die Rufe nach Konsequenzen immer lauter – auch aus den Reihen der Großaktionäre.
Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka, geht mit Wirecard hart ins Gericht und drängt auf einen Wechsel an der Spitze des Unternehmens: „Wir fordern den Rücktritt von Markus Braun“, sagte er der Wirtschaftswoche. Der Vorstandsvorsitzende sei der Hauptverantwortliche für den Vertrauensverlust des Zahlungsabwicklers am Kapitalmarkt – und dieser lasse sich nur reparieren, indem ein anderer den Chefposten übernehme.
Deka sei bewusst, dass Wirecard mit dem Weggang von Markus Braun viel Wissen verlöre. „So sehr Herr Braun auch ein Visionär sein mag, aber er scheint nicht in der Lage zu sein, den Konzern auf die nächste Stufe zu heben. Wirecard hat unter seiner Ägide nicht die Qualität eines DAX-Konzerns erlangt“, sagte Speich.
Er sieht nun den Aufsichtsrat in der Pflicht. Das Kontrollgremium müsse allerdings schnell handeln und sicherstellen, dass der Vertrauensverlust nicht noch vom Kapitalmarkt auf die Kunden überschlägt und damit das Geschäftsmodell bedroht. Denn dieses sei „hochattraktiv“.
Die Fondsgesellschaft ist nach Daten vom Bloomberg mit mehreren Portfolios bei Wirecard investiert und zählt mit einem Anteil von rund 1,7 Prozent zu den größten Aktionären.
Auch Union Investment fordert Konsequenzen – und senkt Beteiligung
Zuvor hatte bereits Andreas Mark, Fondsmanager beim Großaktionär Union Investment, ein Ende der „Schönfärberei“ und „personelle Erneuerung“ bei Wirecard gefordert (DER AKTIONÄR berichtete). „Wir fordern nicht den Rücktritt von Markus Braun“, stellte Mark zwischenzeitlich klar. „Aber wir fordern eine Stärkung der Kompetenzen in kritischen Bereichen wie Accounting und Compliance durch Neubestellung externer Vorstandsmitglieder.“
Wie aus einer Stimmrechtsmitteilung vom gestrigen Mittwoch hervorgeht, hat Union Investment die Beteiligung an Wirecard bereits Ende April von 4,1 auf rund 3,2 Prozent reduziert. Damit zählt die Fondsgesellschaft aber immer noch zu den größten Anteilseignern des DAX-Konzerns.
Braun denkt nicht an Rücktritt
Wirecard-Chef Braun hat den Rücktrittsforderungen bereits am vergangenen Wochenende eine Absage erteilt und gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg stattdessen einen Ausbau der Compliance- und Kontrollmechanismen sowie einen Rückzug aus dem strittigen Drittpartnergeschäft in Aussicht gestellt. Ob das angesichts des wachsenden Drucks genügt, ist fraglich.
Der Wirecard-Aktie sind die Querelen um den KPMG-Bericht und die möglichen Konsequenzen gar nicht bekommen: Sie hat seit der Veröffentlichung des Berichts massiv an Wert verloren und am Donnerstagmorgen kurzzeitig die 80-Euro-Marke getestet. Zwar kann sie sich im Laufe des Vormittags ins Plus drehen, die Lage bliebt aber angespannt. Hier sollten allenfalls Trader aktiv werden.
Mehr zu den jüngsten Entwicklungen der Wirecard-Aktie lesen Sie auch in der neuen AKTIONÄR-Ausgabe (20/2020).