Wie geht die Auseinandersetzung zwischen David und Goliath weiter? Können die organisierten Privatanleger gegen die mächtigen Hedgefonds weiter punkten? Oder schlägt die Wall Street zurück? Und drohen weitere Corona-Beschränkungen wegen knapper Impfstoffe? Das Umfeld für Aktienkäufe ist unsicher geworden. Doch ein breiter Crash muss wohl nicht befürchtet werden. Der Wochenausblick.
Unruhe und Nervosität schwappt aus den USA über den Atlantik auch an den deutschen Aktienmarkt. Sorgen bereiten seit einigen Tagen die heftigen Schwankungen bei einigen Einzelwerten. Hintergrund ist das Ringen zwischen Hedgefonds, die bei einzelnen Werten auf fallende Kurse spekulierten, und privaten Anlegern, die sich in Internet-Forum organisieren und so bei dem US-Videospiele-Händler GameStop und anderen Aktien extreme Kurskapriolen herbei führten. Dies hatte zuletzt merklich die Risikobereitschaft der Anleger gestört.
Zudem sorgen die Querelen um Impfstoff-Lieferungen für Unruhe. Der verzögerte Impfstart lässt die Impfziele zur Eindämmung der Corona-Pandemie weiter nach hinten rücken. Nach BioNTech und AstraZeneca hat auch Moderna angekündigt, zunächst weniger Dosen als gedacht liefern zu können. Immerhin: Am Samstag teilte das Gesundheitsministerium via Twitter mit, dass bis zum 22. Februar laut der Hersteller BioNTech, Moderna und AstraZeneca mindestens weitere 5 Millionen Impfdosen an die Länder geliefert werden. Am Montag soll ein Impfgipfel das weitere Vorgehen klären.
Angstbarometer gestiegen
Die Ängste der Aktienanleger lassen sich an Angstbarometern wie dem US-Volatilitäts-Index VIX oder dem deutschen Konterpart VDAX-New ablesen. Diese sprangen kürzlich auf ein Hoch seit Anfang November.
Am Freitag ging der DAX abgeschwächt bei 13.432 Punkten ins Wochenende. Auf Wochensicht hat der Leitindex damit 3,2 Prozent an Wert verloren. Die Monatsbilanz trübte sich aufgrund der jüngsten Turbulenzen ebenfalls ein: Trotz des früh aufgestellten Rekords von 14.131 Punkten hat der DAX im Januar 2,1 Prozent eingebüßt.
Ohnehin waren die Anleger zuletzt schon verstärkt ins Zögern geraten wegen des erfolglosen Kampfs, den Europa und die USA bislang gegen das Coronavirus führen. Allerdings gab es Meldungen über Fortschritte bei weiteren Impfstoffen: Die US-Unternehmen Johnson & Johnson sowie Novavax berichteten von unterschiedlich hohen Wirksamkeiten. Bei Novavax kam es daraufhin zu einem massiven Kurssprung. Und in der EU erhielt der Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca die Zulassung. "Jeder Impfstoff wird einen Unterschied machen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn. Der deutsche Impfgipfel am Montag soll zusätzlichen Schub bringen.
Spekulanten gegen Spekulanten
Anlagestratege Chris-Oliver Schickentanz von der Commerzbank sieht in dem Aufbäumen der privaten Spekulanten gegen die Wall-Street-Profis eine "soziale Anlageentscheidung" und damit einen neuen, nur schwer prognostizierbaren Einflussfaktor an den Börsen. Regulierer und die Politik könnten jetzt gefragt sein - laut Schickentanz mit dem Ziel, "manipulative Markteingriffe von Hedgefonds und einer Herde Kleinanleger gleichermaßen zu verhindern."
Tatsächlich haben sich in die Auseinandersetzung die ersten US-Justizbehörden eingeschaltet. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton teilte am Freitagabend mit, Informationen von RobinHood und einer Reihe weiterer Online-Broker angefordert zu haben, um herauszufinden, ob bei den zeitweisen Beschränkungen des Handels mit Aktien von GameStop, AMC Entertainment und einigen anderen Firmen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Vor allem der Online-Broker Robinhood geriet durch seine verhängten Handelsrestriktionen massiv in die Kritik und in den Verdacht, Privatanleger gegenüber Wall-Street-Großinvestoren zu benachteiligen.
"Solange die Unsicherheit besteht, werden sich die Investoren von der Seitenlinie nicht wieder aufs Parkett trauen", gibt sich der CMC-Experte Jochen Stanzl für die kommenden Tage vorsichtig. Er sieht die Aktienmärkte vor einer Phase, in der die Unsicherheit sie eher dazu veranlassen könnte, einige ihrer Positionen abzustoßen. Laut dem Experten Jim Reid von der Deutschen Bank werden vor allem Hedgefonds ihre Short-Positionen weiter sorgfältig überprüfen.
DAX in Konsolidierungsphase
Charttechnisch betrachtet gibt es aber auch Stimmen, die die Lage nicht dramatisieren und den DAX eher in einer gesunden Konsolidierung sehen. Laut Andeas Büchler von Index-Radar besteht noch kein Anlass für ein alarmierendes Verhalten, sofern sich der DAX wie zuletzt erkennbar im Bereich zwischen 13.300 und 13.500 Punkten stabilisiert. "Nach einem Anstieg von rund 2.500 Punkten in nur drei Monaten kommen Gewinnmitnahmen nicht überraschend", so der Experte.
Nicht ganz verdrängen sollten Anleger in den kommenden Tagen aber auch das alte Virusthema und die Erwartung geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen, die zuletzt angesichts der Rekordrallye an vielen Börsen als eingepreist galt. Mangelnde Fortschritte bei den Impfungen und die Sorge vor Mutationen dürften präsent bleiben. Schickentanz glaubt daher, dass auch der weitere Verlauf der Pandemie weiter für Volatilität sorgen wird - genauso wie der Verlauf der Berichtssaison.
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Berichtssaison hierzulande läuft an
Was Unternehmensberichte betrifft, gibt die neue Woche in Europa einiges her. Am Montag berichtet Siemens Healthineers, am Dienstag Siemens Energy und nach US-Börsenschluss die US-Giganten Amazon und Alphabet.
Am Mittwoch folgen hierzulande unter anderem Siemens und aus den USA Spotify, Ebay und Paypal. Am Donnerstag stehen unter anderem Infineon sowie die Deutsche Bank mit ihren Berichten im Fokus. In vielen Fällen, gerade bei den Konzernen aus dem Siemens-Umfeld, sind schon Eckdaten bekannt. Infineon muss sich an den starken Vorlagen einiger Wettbewerber messen.
Auf Interesse dürften am Donnerstag auch die Zahlen von Nokia stoßen, die ebenfalls in die Shortseller-Turbulenzen geraten waren. Zudem berichten noch Shell, Verbio und Ford über ihre Quartalsergebnisse. Am Freitag folgt hierzulande DAX-Schwergewicht Linde.
US-Arbeitsmarktbericht voraus
Auch konjunkturell könnte es in der neuen Woche viele neue Eindrücke geben. "Denn es werden eine Reihe von Konjunkturdaten aus Europa veröffentlicht, welche die Belastungen der Wirtschaft durch die zweite Corona-Welle widerspiegeln", sagt Deka-Bank-Volkswirt Ulrich Kater. Auch aus den USA werden wichtige Daten erwartet, zunächst am Montag und Mittwoch mit den ISM-Einkaufsmanager-Indizes und zu Wochenschluss mit dem Arbeitsmarktbericht. (Mit Material von dpa-AFX)
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