Wirecard hat in den vergangenen Jahren nicht nur Anleger, Aufsichtsbehörden und Geldgeber genarrt, sondern auch die Analysten. Eine der tapfersten Verfechterinnen des Skandalkonzerns war Heike Pauls von der Commerzbank. Das könnte ihr laut einem Medienbericht nun zum Verhängnis werden.
Commerzbank-Analystin Pauls stand immer treu an der Seite von Wirecard: Kritische Berichte über den Zahlungsabwickler hat sie als „fake news“ abgetan und selbst kurz vor dem Kollaps noch eine Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 230 Euro für die Wirecard-Aktie ausgesprochen. Knapp daneben: Kurz darauf war Wirecard pleite, Vorstandschef Markus Braun im Gefängnis und die Aktie keinen Euro mehr wert.
Nun könnte man der Analystin und vielen ihrer Kollegen zugutehalten, dass das Wirecard-Management einen immensen Aufwand betrieben hat, um das Märchen vom boomenden Zahlungsabwickler aufrechtzuerhalten. Dass auch die Experten keine Glaskugel besitzen. Dass auch Wirtschaftsprüfer, Finanzaufsicht und Regierung viel zu lange nichts vom Milliardenbetrug mitbekommen haben.
Brisante Informationen für das Wirecard-Management
Doch Pauls hat es offenbar nicht bei der Lobhudelei für das Unternehmen belassen. Wie DER SPIEGEL unter Verweis auf vertrauliche E-Mails berichtet, hat die Commerzbank-Expertin die Führung des Zahlungsabwicklers auch mit brisanten Informationen versorgt, die sie eigens am Kapitalmarkt eingesammelt hat.
Als etwa der Hedgefonds Greenvale Capital im Jahr 2016 – rund dreieinhalb Jahre vor dem spektakulären Zusammenbruch – kritische Fragen zum operativen Geschäft des Zahlungsabwicklers stellte, hat Pauls das Unternehmen laut dem Bericht nicht nur vehement verteidigt, sondern dem Wirecard-Management auch mit den Exklusivinformationen bei der Verteidigungsstrategie geholfen.
Die Anlage-Kunden der Commerzbank sowie die Kreditabteilung im eigenen Haus, die Wirecard Millionen geliehen hat, haben von den brisanten Informationen derweil nichts erfahren.
Commerzbank sortiert Research neu
Das hat offenbar Konsequenzen. Für die Aktien aus dem Sektor Telekommunikation und Medien, den Pauls zuletzt gecovert hatte, setzte die Commerzbank das Research nun zeitweise aus. Offizielle begründet das Institut den Schritt mit eine „Reallokation der Analyseressourcen“. Gegenüber dem SPIEGEL erklärte ein Sprecher jedoch auch, dass „mit Blick auf das Thema Wirecard unterschiedliche Aspekte sehr sorgfältig“ geprüft werden und diese Prüfung „noch nicht abgeschlossen“ sei.
Analystin Pauls droht damit nun womöglich das gleiche Schicksal wie der Wirecard-Aktie – nämlich das Abstellgleis. Denn auch wenn der Kurs zuletzt wieder allerhand Kapriolen geschlagen hat: Als ernsthaftes Investment ist die Wirecard-Aktie längst tabu.