Vor wenigen Wochen erschütterte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BHG) die Finanzbranche. Entschieden wurde über die automatische Erhöhung der Kontogebühren. Für Institute wie die Commerzbank sind nicht nur zukünftige Erträge bedroht. Die Begründung des Urteils lässt für Finanzinstitute die schlimmsten Befürchtungen wahr werden.
„Schweigen ist Zustimmung“. So wurde eine Klausel in vielen Kontoverträgen bezeichnet, nach der Kunden bei Gebührenerhöhungen seitens der Bank aktiv widersprechen mussten. Andernfalls wurden die Entgelte automatisch erhöht. Diese Praxis gibt es schon länger, doch Ende April entschieden die BGH-Richter, dass es nicht rechtens ist. Für die deutschen Kreditinstitute, die wegen der Negativzinsen auf steigende Provisionen angewiesen sind, wird es nun schwierig, die Gebühren zu erhöhen. Das berichtet der Blog Finanz-Szene mit Bezug auf das Originaldokument zum Urteil.
Rückforderung für drei Jahre möglich
Heftig wird es aber, wenn es um die bisher unter dieser Praxis gezahlten Kontoentgelte geht. Denn viele Kunden können wahrscheinlich seit 2018 auf dieser Basis zustande gekommene Erhöhungen vollständig zurückfordern. Unklar ist wohl noch, ob die Banken von sich aus auf die Kunden zugehen, oder diese das Geld aktiv zurückfordern müssten. In jedem Fall ist es eine herbe Niederlage für Branche.
Milliarden im Feuer?
Bafin-Exekutivdirekter Raimund Röseler erklärte vor Wochen, auf die Branche könnten in einem „Worst-Case-Szenario“ Belastungen im Umfang eines halben Jahresüberschusses zukommen. Branchenweit könnte es somit um einen Milliardenbetrag gehen. Institute müssten Rückstellungen bilden, auch die Commerzbank wäre betroffen. Das Geldhaus wollte zum 1. Mai die Gebühren für Comdirect-Kunden erhöhen und das kostenlose Girokonto de facto abschaffen. Aufgrund des Urteils sah man vorerst davon ab. Geäußert hat sich der Konzern seitdem nicht mehr öffentlich. Man wolle die Urteilsbegründung abwarten, hieß es zuletzt.
Die Commerzbank-Aktie stören die News zu den Kontogebühren heute nicht, der Kurs steigt satt an. Die Notierung unternimmt einen neuen Anlauf, um den wichtigen Widerstand am Vor-Corona-Hoch bei 6,83 Euro zu knacken. Bereits zwei Mal scheiterte die Aktie daran jedoch zuletzt.
Die Risiken durch Rückzahlungen an Kunden aufgrund des jüngsten Urteils sind derzeit nicht absehbar. Die Bank müsste im schlimmsten Fall Rückstellungen bilden, deren Höhe aber ungewiss ist. Wie erwähnt wird es stark davon abhängen, ob die Branche oder die Commerzbank selbst von sich aus die Gelder zurückzahlen, oder nicht. Investierte Anleger bleiben dabei.
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