Fast zwei Monate nach dem Börsengang per Direct Listing hat die Coinbase-Aktie ihre erste Verkaufsempfehlung von einem Analysten kassiert. Patrick O’Shaughnessy von der US-Investmentbank Raymond James stört sich dabei vor allem an einem Punkt.
Dem operativen Geschäft des Kryptobörsen-Betreibers könnte wegen künftigem Druck auf die Gebühreneinnahmen heftiger Gegenwind drohen, warnt der Experte in einer Studie vom Dienstag. Den Großteil der Umsätze habe Coinbase den Handelsgebühren zu verdanken, die Privatanleger beim Krypto-Kauf über die beliebte Handelsplattform bezahlen müssen.
Kein Burggraben, keine Einnahmen
Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass solche Gebühreneinnahmen gerne und schnell dem Konkurrenzdruck zum Opfer fallen können – es sei denn, sie sind durch eine strukturelle Markteintrittsbarriere geschützt. Was der Analyst damit meint, bezeichnet Investment-Legende Warren Buffett gerne als Burggraben – und der fehle Coinbase mit dem aktuellen Geschäftsmodell nahezu komplett.
Er erwartet daher im Laufe der Zeit signifikanten Druck auf die Einnahmen. Dass der US-Discount-Broker Robinhood derzeit explizit mit dem gebührenfreien Kryptohandel auf seiner Plattform wirbt, zeigt bereits, was in naher Zukunft drohen könnte.
Aus diesem Grund bewertet O’Shaughnessy das Risikoprofil des Krypto-Unternehmens als unattraktiv und hat als erster Wall-Street-Analyst ein „Underperform“-Rating für die Aktie ausgesprochen. Auf ein konkretes Kursziel verzichtet er zwar, die Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert aber einen fairen Wert von 95 Dollar aus seiner Studie. Ausgehend vom aktuellen Kursniveau entspricht das 57 Prozent Rückschlagpotenzial.
Ein breiteres Fundament muss her
DER AKTIONÄR wertet die große Abhängigkeit vom Privatkundengeschäft ebenfalls kritisch, sieht aber auch einen Ausweg: Durch den hohen Bekanntheitsgrad – nicht zuletzt durch den Börsengang – sollte Coinbase auch bei institutionellen Investoren punkten können. Zudem können Zusatzangebote wie Verwahr- und Treuhand-Dienste sowie Beratung und Research das Geschäftsmodell diversifizieren. Die Übernahme der Datenplattform Skew geht bereits in die richtige Richtung.
Coinbase hat zuletzt von der Rallye am Kryptomarkt profitiert, doch die Konkurrenz schläft nicht. Nun liegt es an CEO Brian Armstrong, die Abhängigkeit von den Gebühreneinnahmen im Privatkundengeschäft zu senken. Gelingt das nicht, könnten am Ende die Skeptiker von Raymond James Recht behalten. Für den AKTIONÄR bleibt die Aktie nach der durchwachsenen Performance seit dem Börsengang zunächst ein Watchlist-Kandidat.