Zuerst die schlechte Nachricht: Der angeschlagene US-Luftfahrtriese muss in der Corona-Krise erneut eine Absage für eine Bestellung des Problemfliegers Boeing 737 Max hinnehmen. Eine chinesische Firma stornierte einen Großauftrag. Am Freitag schockte bereits die Leasing-Tochter von General Electric mit einem Rückzieher. Dass die Boeing-Aktie dennoch zulegt, hat mit einem Mega-Auftrag aus Deutschland zu tun.
Die China Development Bank Financial Leasing Co. hat heute einen Auftrag über 29 Maschinen vom Typ 737 zurückgezogen, wie das chinesische Unternehmen mitteilte. Weiterhin offen sei die Auslieferung von 70 weiteren 737-Max-Flugzeugen. Die noch bestellten 737-Max-10-Jets werden auf das kleinere 737-MAX-8-Modell umgestellt, 20 Lieferungen davon auf die Jahre 2024, 2025 und 2026 verschoben.
Gerade der nach zwei Abstürzen mit einem Flugverbot belegte Typ 737 Max leidet zusätzlich unter der Coronakrise. Boeing verzeichnete allein im März insgesamt 150 Max-Stornierungen, darunter 75 von der irischen Leasinggesellschaft Avolon. Im ersten Quartal wurden unter dem Strich 314 Bestellungen für das Modell zurückgezogen.
Am vergangenen Freitag stornierte auch die Flugzeugleasing-Sparte des US-Industriekonzerns General Electrics, GE Capital Aviation Services, 69 dieser Maschinen. GE Capital Aviation Services muss angesichts der Corona-Pandemie das Auftragsbuch anpassen. Die GE-Tochter setze jedoch weiter auf Boeings 737 Max und habe immer noch Bestellungen für 82 der Jets, betonte Vorstandschef Greg Conlon.
Insgesamt beträgt der 737-Max-Auftragsbestand noch mehr als 4.000 Flugzeuge, bestätigte Boeing gegenüber Reuters. Boeing hofft, bald die Genehmigung für die Wiederinbetriebnahme des Problem-Flugzeugs zu erhalten. In dieser Woche werde auch die Produktion der 737 Max nach gut dreimonatigem Stillstand wieder anlaufen.
Diese Nachricht sowie die Wiederaufnahme der wegen Corona unterbrochenen Produktion der anderen Boeing-Flugzeugtypen 747, 767, 777 und 787 sorgte am Freitag für ein kleines Kursfeuerwerk der Boeing-Aktie. Zum Wochenschluss stand ein Tagesplus von 14,7 Prozent auf 154 US-Dollar zubuche.
Überaus positiv für den Boeing-Konzern dürfte auch ein militärischer Auftrag aus Deutschland sein. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) setzt laut einem Bericht beim Ersatz für die in die Jahre gekommenenn Tornado-Kampflugzeuge der Bundeswehr auf Jets des US-Herstellers Boeing. Die Politikerin kündigte bei der US-Regierung formal an, dass Deutschland insgesamt 45 US-Kampfjets vom Typ F18 als Ersatz für die altersschwachen Tornados der Luftwaffe kaufen wolle, wie der Spiegel am Sonntag schrieb. DER AKTIONÄR hatte von den Plänen bereits am 26. März berichtet.
Die Ministerin habe ihrem US-Kollegen Mark Esper am vergangenen Donnerstag per E-Mail mitgeteilt, die Bundeswehr beabsichtige, 30 F-18 "Super Hornet" und 15 F-18-Jets vom Typ "Growler" zu bestellen. Das Verteidigungsministerium erklärte am Sonntagabend lediglich, man stehe "ständig im Gespräch mit unseren Verbündeten".
Die Pläne des Verteidigungsministeriums sehen vor, die überalterte Tornado-Flotte der Bundeswehr vom Jahr 2025 an durch bis zu 90 weitere Eurofighter-Jets sowie 45 F-18-Kampflugzeuge von Boeing zu ersetzen. Das US-Modell soll dabei für den elektronischen Luftkampf sowie die "Nukleare Teilhabe" Deutschlands an US-Waffen beschafft werden. Eine formale Entscheidung über das milliardenschwere Rüstungsgeschäft sei aber noch nicht getroffen.
Nach dpa-Informationen hat die Ministerin ihre Kollegen in den USA, Großbritannien und Frankreich über den Verfahrensstand informiert. Eine Bestellung gibt es nicht - darüber müsste auch das Parlament entscheiden. Mit dem Koalitionspartner SPD, der über die AKK-Mail offenbar vorab nicht informiert war, liefen seit mehreren Wochen dazu Gespräche, hieß es.
Um die Nachfolge-Entscheidung des Tornado gibt es ein jahrelanges Ringen. Auch die Airbus-Rüstungssparte mit ihrer Zentrale in Bayern verspricht sich, ein großes Stück vom Nachfolge-Kuchen abzubekommen.
Boeing muss derzeit die Stornierung von 737-Aufträgen verdauen. Doch nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie werden voraussichtlich viele Aufträge neu erteilt. Auch die Rüstungssparte von Boeing arbeitet nach dem Motto Business as usual. Die Boeing-Aktie könnte ihre Tiefstände gesehen haben. Dennoch bleibt ein Investment angesichts der ungewissen Dauer der weltweite Corona-Einschränkungen ein riskantes Unterfangen.
Interessierte Neueinsteiger mit längerfristigem Horizont sollten daher abwarten, bis eine klare Bodenbildung erkennbar ist. Dazu sollte der Kurs über 160 Dollar steigen. In jedem Fall gebieten sich derzeit recht enge Stopp-Loss-Orders.