Bayer-Aktionäre jubeln. Die Aktie des Leverkusener Unternehmens hat in den zurückliegenden Tagen eine fulminante Rally aufs Parkett gelegt, sich vom Gesamtmarkt entkoppelt. Meldungen über tatsächlich und unmittelbar bevorstehende Spartenverkäufe entfachten eine seit Monaten nicht mehr bekannte Euphorie. Glanzvoller Schlusspunkt: Ein Bericht über den unmittelbar bevorstehenden Abschluss eines Vergleichs in der Causa Glyphosat. Das Dementi von Staranwalt Kenneth Feinberg gegenüber DER AKTIONÄR konnte da nur kurz bremsen. Die weiteren Aussichten.
Bei den Aktionären von Bayer ist am Freitag die anfängliche Euphorie wegen der Aussicht auf eine mögliche Einigung in der Glyphosat-Klagelawine in den USA deutlich zurückgegangen. Grund: Der als Mittler zwischen den Streitparteien eingesetzte US-Staranwalt Ken Feinberg dementierte einen Bericht, demzufolge der Agrarchemie- und Pharmakonzern einen entsprechenden Vergleich vorgeschlagen hat. "Bayer hat nicht vorgeschlagen, 8 Milliarden US-Dollar für die Beilegung aller US-amerikanischen Roundup-Krebsfälle zu zahlen. Eine solche Aussage ist reine Fiktion." Auch andere Medien berichteten über Feinbergs Einlassung. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf eine mit der Sache vertraute Person von solch einem Vorschlag berichtet. Ein Bayer-Sprecher wollte sich gegenüber dem AKTIONÄR zu keinem der Berichte äußern.
Anfängliche Euphorie abgeflaut
Der Bayer-Aktienkurs, der am Vormittag noch prozentual zweistellig gestiegen war, fiel am Nachmittag deutlich zurück. Mit einem Plus von knapp zwei Prozent reichte es aber immer noch für den ersten Platz in einem schwachen deutschen Leitindex DAX . Für Unterstützung sorgte Händlern zufolge auch eine Entscheidung der US-Umweltbehörde EPA vom Donnerstag (Ortszeit), derzufolge Produktlabel auf Unkrautvernichtern verboten sind, die behaupten, dass Glyphosat krebserregend sei. Damit stellt sich die EPA gegen eine Entscheidung des Bundesstaates Kalifornien.
Analysten wie Gunther Zechmann von Bernstein Research hatten die Aussicht auf eine Einigung in der Causa Glyphosat angesichts der schwebenden Milliardenrisiken durch drohende Schadenersatzzahlungen an die klagenden Krebspatienten positiv bewertet. Alles unter 30 Milliarden Dollar wäre positiv für den Aktienkurs, sagte Zechmann. Sollten es tatsächlich nur 8 Milliarden werden, hätte der Kurs wohl 30 Prozent Luft nach oben. Und selbst damit würden die Aktien nicht alle Verluste seit dem ersten verlorenen Glyphosat-Prozess vor einem Jahr aufholen.
Inwieweit die Hoffnung auf eine Einigung in den nächsten Monaten nun dahin ist, bleibt offen. Denn: bis zu einer wirklichen Einigung zwischen Bayer und den Klägern dürfte im Grunde alles hinter verschlossenen Türen besprochen werden mit entsprechenden Verschwiegenheitsvereinbarungen. Hinzu kommt, dass Feinberg als einer der bekanntester US-Experten in Entschädigungsfragen ein Profi ist. Er war unter anderem für Kompensationen nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zuständig sowie im VW-Abgasskandal in den USA aktiv.
Im Kurs steckt viel Hoffnung
Für Spekulationen über fortschreitende Vergleichsverhandlungen hatte in den vergangenen Tagen bereits die Vertagung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses gesorgt. So war der Druck auf Konzernchef Werner Baumann in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil Bayer bereits drei Verfahren um Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter mit Schadensersatzforderungen im jeweils mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verloren hatte.
Bayer fährt bisher offiziell zwar eine harte Linie, verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien weiter auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und will vor Berufungsgerichte ziehen. Konzernchef Baumann hatte zuletzt jedoch auch gesagt, dass ein Vergleich durchaus in Frage käme, wenn er wirtschaftlich sinnvoll wäre. So dürften allein die Kosten für Anwälte und Imagekampagnen Hunderte Millionen Euro verschlingen.
Und auch von anderer Seite kommt Druck. So mischt der für sein aggressives Gebaren bekannte US-Milliardär und Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott bei Bayer inzwischen mit einer Beteiligung von mehr als einer Milliarde Euro mit. Noch gibt er sich zwar zahm und lobt Bayer-Schritte wie die Gründung eines Aufsichtsratsausschusses, der das Thema Glyphosat vorantreiben soll. Wie lange Singer bei fehlenden Fortschritten ruhig bleibt, ist aber fraglich.
Sollte Bayer sich in den kommenden Monaten tatsächlich auf einen Vergleich einigen, wäre die mit Abstand größte Baustelle des Konzern erst einmal bereinigt. Beim Konzernumbau gab es zuletzt schon Fortschritte: Es fanden sich Käufer für die schwächelnde US-Fußpflegemarke Dr. Scholl's und die Sonnenschutzmarke Coppertone. Zudem wurde die Beteiligung am Chemieparkbetreiber Currenta für mehr Geld losgeschlagen als gemeinhin erwartet.
Und auch für das Geschäft mit Tiergesundheit scheint eine Lösung unmittelbar bevor zu stehen. Es könnte laut Bloomberg für mehrere Milliarden an den US-Konkurrenten Elanco gehen, an dem Bayer im Gegenzug eine Minderheitsbeteiligung erhalten könnte. Bereits in der kommenden Woche könnte der Deal angekündigt werden, hieß es unlängst.
Die Reaktion der Bayer-Aktie am Freitag zeigt, dass Investoren einen Vergleich gutheißen würden, zumal die im Bloomberg genannte Summe von acht Milliarden US-Dollar weit unter den Erwartungen liegt. Das Dementi von Kenneth Feinberg, der zwischen Klägern und Konzern vermitteln soll, bremste die Euphorie der Marktteilnehmer nur kurzzeitig. Bereits im September könnte mehr Klarheit herrschen. Feinberg verweist darauf, dass die Verhandlungen "bis September dauern" werden. Gelingt es Bayer einen Vergleich zu schließen und die Aktie Glyphosat damit zu schließen, dürfte sich das positiv auf die arg gebeutelte Aktie auswirken.
Mit Material von dpa-AFX