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Wirecard: Die Wahrheit über die Gründe für den Sturz der Aktie

Wirecard: Die Wahrheit über die Gründe für den Sturz der Aktie
Foto: Börsenmedien AG
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Börsen. Briefing. 12.02.2019 Börsen. Briefing.

Die Financial Times hat mit ihrer skandalösen Artikel-Serie über vermeintliche Bilanztricksereien bei einer Auslandstochter der Wirecard AG deren Aktie torpediert. Sie ist allen Dementi zum Trotz im Sinken begriffen. Das liegt weniger an den von Redakteur Dan McCrum und seiner Kollegin Stefania Palma vorgebrachten Beschuldigungen, als vielmehr an etwas ganz anderem, weitaus weniger Greifbarem, aber umso wichtigeren. 

Ein Kommentar von Leon Müller, Chief-Editor Börsen.Briefing.
(erschienen in Ausgabe #54 am 11. Februar 2019)

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Die schmucklose Zentrale der Wirecard AG in Aschheim bei München gleicht in diesen Tagen einer Trutzburg, schreibt Thomas Klemm in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und Michael Rasch stellt in der Neuen Züricher Zeitung fest, das Wirtschaftsblatt Financial Times hätte das Unternehmen „sturmreif geschossen“. Tatsächlich findet sich das Management des jüngsten DAX-Mitglieds inmitten einer Schlacht wieder. Gegen Leerverkäufer, Skeptiker, Unbekannte – und gegen die Financial Times. Die Auseinandersetzung mit ihr könnte nun sogar vor Gericht enden. Wirecard will gegen die FT vorgehen – und wird allein für diese Ankündigung von Aktionären (und Beobachtern) in Foren und sozialen Netzwerken gefeiert. Einzig: „Wir gegen die Angelsachsen“ – das greift viel zu kurz, löst kein Problem und lenkt nur vom wahren ab.

Wer über die Ursache für den hässlichen Kurssturz der vergangenen Tage sinniert, sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass der von den FT-Redakteuren Dan McCrum und seiner Kollegin Stefania Palma vorgebrachte Vorwurf, bei der Asien-Tochter der AG sei es zu Bilanztricksereien gekommen, inzwischen ein ebensolcher ist. Der Nebenschauplatz einer Schlacht, die gerade erst begonnen hat.

Die Aktie notiert heute nicht 44 Prozent tiefer als noch vor zwei Wochen, sie hat nicht mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren, seit sie ihr Hoch im Spätherbst des vergangenen Jahres erreichte, nur weil der FT zufolge in Singapur ein „cook the books“-Event stattgefunden haben soll, das zu Bilanzabweichungen von ein paar Millionen Euro geführt habe.

Die Aktie steht heute dort wo sie steht, weil die Währung, in der hier gemessen wird, nicht Euro, nicht US-Dollar, Pfund, Franken oder Yen heißt. Die Währung, in der hier und ganz allgemein an der Börse gemessen wird, hat einen anderen Namen. Sie heißt: Vertrauen.

Anleger müssen darauf vertrauen, dass die Unternehmen ihren Job erledigen, dass sie seriös berichten und nicht tricksen, oder zumindest nur so weit es das Gesetz zulässt. Sie müssen auch darauf vertrauen, dass nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Kontrolleure (in diesem Fall Ernst & Young) dieses Vertrauen bestätigen.

Dass die Aktie mit jedem neuen Bericht immer weiter zurückfällt, heißt nichts anderes, als dass das Vertrauen in das Unternehmen gesunken ist. Die Krux daran: Vertrauen ist windiger als Euro und selbst als jede Dritte-Welt-Währung. Den verloren gegangenen Wert in der Folge zurückzuerlangen umso schwieriger.

Vertrauen ist demnach die wahre Ursache für den Kurssturz. Ohne der Financial Times Absicht unterstellen zu wollen, hat sie durch ihre Salami-Taktik bei der Veröffentlichung ein und desselben Vorwurfs in (bisher) drei Schritten dieses Vertrauen massiv beschädigt. Die Motivation hinter dieser Vorgehensweise mag fragwürdig sein, ethische Fragen aufwerfen und sogar wütend machen. Warum sich die Redaktion für diese Form des Serien-Beschusses entschieden hat, ist inzwischen aber nebensächlich.

Dr. Markus Braun, sein Vorstandsteam, PR- und IR-Mitarbeiter sind nun angehalten, das Vertrauen, das die FT zerstört hat, wiederherzustellen. Der erste Schritt dabei kann nur lauten: Den Bericht der Compliance-Kanzlei schnellstmöglich zu veröffentlichen. Ende März ist dabei viel zu weit weg. Der zweite, noch weitaus wichtigere Schritt: Mehr Transparenz zu schaffen. Wo und wie verdient Wirecard sein Geld? Es reicht nicht, immer wieder neue Erfolgsmeldungen über neue Partnerschaften und Kooperationen zu veröffentlichen. Es reicht auch nicht (mehr), immer neue Umsatz- und Ergebnisrekorde zu verkünden. Was Wirecard jetzt braucht, ist mehr Gläsernheit. So viel, dass sein Geschäftsmodell verständlicher und damit weniger angreifbar wird. Und so wenig, dass die Konkurrenz daraus nicht zu viel ableiten kann. Diesen Spagat muss der DAX-Konzern nun meistern. Und wird es. Alles andere würde Kritikern, Leerverkäufern und kritischen Journalisten nur weitere Munition liefern.

Das perfide an der Währung Vertrauen ist nämlich: ist es einmal weg, dauert es lange, bis es zurückkehrt. Das gute daran: Wirecard selbst hat es nun in der Hand. 

Gelingt es dem Unternehmen, die Vorwürfe nachhaltig zu widerlegen, wird es in Zukunft immun gegen Attacken wie diese sein. Vor allem, wenn es die geforderte Transparenz schafft. Dann aber dauerhaft.

Denn schon in der Vergangenheit sah sich das Unternehmen ganz ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt. Anleger sollten sich in Erinnerung rufen, dass Wirecard zu keinem Zeitpunkt ein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte. Nicht im Falle der Vorwürfe von SdK-Mitgliedern. Nicht im Falle der dubsiosen Zatarra-Research-Studie. Und – so stellt es das Unternehmen bis heute dar – auch nicht im Falle von Singapur. 

Der heftige Kurssturz hätte verhindert werden können, wenn Wirecard schon vorher mehr Verständnis für sein Geschäftsmodell vermittelt hätte. Und das ist derzeit das einzige, was man dem Unternehmen bisher wirklich vorhalten kann. 

Eine aktuelle Einschätzung von AKTIONÄR-Redakteur Nikolas Kessler zur Aktie von Wirecard finden Sie hier.

Einen Überblick der Reaktionen in den sozialen Medien zu den jüngsten Ereignissen bei Wirecard finden Sie hier.

Den aktuellen Kommentar der DZ Bank finden Sie hier.

Und das Update von HSBC könnten Sie hier nachlesen.

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