Mit der Börsennotierung hat für Siemens Energy Ende September ein neues Kapitel begonnen. Durch die Selbstständigkeit des neuen Unternehmens gewinnt das Management die nötige Beinfreiheit für seine Weiterentwicklung abseits des großen Siemens-Reichs. Im kommenden Jahr bleibt aber noch viel zu tun.
Siemens Energy ist noch ein recht sperriges Konstrukt: Auf der einen Seite steht die ehemalige Siemens-Sparte Gas and Power, in der sowohl Technologien zur fossilen Energieerzeugung wie auch zur Stromübertragung gebündelt sind. Auf der anderen Seite gab Siemens seinen 67-prozentigen Anteil an dem ebenfalls börsennotierten Windanlagenbauer Siemens Gamesa mit, der in Spanien sitzt.
Keine Zukunft bei Siemens
Mit beiden Geschäften ist Siemens in den vergangenen Jahren nicht wirklich glücklich geworden. Beim einst so ertragreichen Kraftwerksgeschäft schwand die Nachfrage insbesondere nach großen Gasturbinen drastisch, die Profitabilität schmolz dahin. Mit einem harten Sanierungsprogramm und dem Abbau tausender Stellen hielt Siemens dagegen.
Siemens Gamesa, das aus der Fusion des Siemens-Windanlagengeschäft mit dem spanischen Konkurrenten Gamesa hervorging, bekam kurz nach Gründung das Abflauen des Windanlagen-Booms in Europa sowie den nahezu vollständigen Zusammenbruch des Offshore-Geschäfts in Deutschland zu spüren. Nachdem die Regierungen ihre Fördersysteme auf Auktionen umstellten, sah sich die Windbranche einem massiven Preisdruck ausgesetzt. Zudem kämpft Gamesa mit hausgemachten Problemen im Onshoregeschäft. Dazu beherrschten lange Zeit Animositäten zwischen den Deutschen und dem spanischen Anteilseigner Iberdrola das Bild, den Siemens schlussendlich aus dem Unternehmen herauskaufte.
Siemens-Energy-Chef Christian Bruch steht nun vor der Aufgabe, aus den beiden verlustträchtigen, sehr unterschiedlichen Geschäften einen schlagkräftigen Konzern zu formen. Dabei steht als allererstes die Profitabilität im Vordergrund. Bruch kann nur bei Gas and Power durchregieren, einen direkten Zugriff bei Siemens Gamesa hat er nicht. Daran ändern wird sich in naher Zukunft nichts. So betonte Bruch zuletzt, dass es keine Pläne gäbe, Siemens Gamesa vollständig zu übernehmen.
Bruch konzentriert daher sein Bemühen auf die Sparte Gas and Power. Hier hat er zusätzliche Einsparungen angekündigt, Kapazitäten sollen herausgenommen werden. So will er die Struktur des Unternehmens verschlanken und Komplexität abbauen. Dazu gehört neben der Optimierung der Betriebsabläufe ein zentraler Einkauf sowie eine Verbesserung im Projektgeschäft. So will das Unternehmen defizitäre Projekte schrittweise auslaufen lassen und bei neuen Aufträgen selektiver und weniger risikoreich vorgehen. Als Kern sieht Bruch das Servicegeschäft. Dieses verspricht stabilere Renditen - und das dauerhaft. Beim Kohlegeschäft kündigte Bruch einen schrittweisen Ausstieg an - dies gilt jedoch zunächst nur für neue Projekte.
Neuer Chef bei Siemens Gamesa
Bei Siemens Gamesa hat hingegen Konzernchef Andreas Nauen das Sagen, der im Sommer den glücklosen Markus Tacke ablöste. Er sieht den Windanlagenbauer weiter als unabhängigen Konzern. Nauen soll Gamesa, das trotz voller Auftragsbücher Verluste schreibt, wieder auf Kurs bringen. Anstelle des Volumens hat er nun der Profitabilität den Vorrang eingeräumt, insbesondere im ertragsschwächeren Onshore-Geschäft. Projektrisiken will das Management senken. Helfen sollen auch neue Technologien und eine Vereinfachung der Lieferkette.
Breite Prognose
All das soll dazu beitragen, dass Siemens Energy in den kommenden Jahren deutlich profitabler wird. Für das am 1. Oktober begonnene Geschäftsjahr sollen die Umsätze in einer recht breiten Spanne von 2 bis 12 Prozent steigen. Die bereinigte Ergebnismarge (EBITA) soll 3 bis 5 Prozent erreichen. Sowohl Gas and Power als auch Siemens Gamesa sollen dazu beitragen. Im vergangenen Geschäftsjahr 2019/20 hatten unter anderem Abschreibungen den frisch gebackenen Konzern tief in die Verlustzone gedrückt - unter dem Strich stand ein Fehlbetrag von fast 1,9 Milliarden Euro. Eine Dividende gibt es daher nicht.
Bei Siemens Energy wartet noch viel Arbeit. Rückschläge müssen einkalkuliert werden. Diese sind in der günstigen Bewertung aber eingepreist. DER AKTIONÄR meint: Auf dem aktuellen Niveau überwiegen die Chancen. Anleger lassen die Gewinne laufen.
Mit Material von dpa-AFX