Bereits die letzten Wochen waren für Nio-Anleger alles andere als erfreulich. Am Dienstag folgte dann die nächste Enttäuschung: Nachdem der E-Autobauer die Ausgabe einer Wandelanleihe ankündigte, sackten die in den USA gehandelten ADRs um 17 Prozent ab. Nio beschafft sich damit frisches Kapital. DER AKTIONÄR wirft daher einen Blick auf die Finanzen des Konzerns.
Kapitalintensive internationale Expansion, Kapazitätsausbau, gestiegener Marketingaufwand und der Preiskampf vor allem in China: Das sind einige Gründe, warum die Ausgaben und damit auch die Verluste bei Nio in den letzten Quartalen deutlich anwuchsen.
Daher überrascht es wenig, dass auch der Kapitalbedarf steigt. Nachdem im Juni bereits ein Staatsfonds Abu Dhabis im Rahmen einer Kapitalerhöhung Nio-Aktien im Wert von 740 Millionen Dollar erwarb, platziert der Autobauer nun zwei Wandelanleihen im Volumen von je 500 Millionen Dollar. Diese werden im Oktober 2029 beziehungsweise im Oktober 2030 fällig und sollen für den Rückkauf von alten Schuldtiteln und zur Stärkung der Bilanz genutzt werden.
So steht es um die Finanzen
Zum Ende des zweiten Quartals hatte Nio kurzfristig verfügbare liquide Mittel von insgesamt 3,8 Milliarden Dollar. Inklusive der Wandelanleihen sollte diese Position aktuell also circa 4,8 Milliarden Dollar betragen. Experten rechnen damit, dass Nio erst 2026 auf Basis des bereinigten Nettogewinns und des Free-Cash-Flows (FCF) den Break-even erreicht. Bis dahin müssen die entsprechenden Barmittel also ausreichen.
Der FCF soll sich bis Ende 2025 insgesamt auf rund minus 2,5 Milliarden Dollar belaufen. Das bedeutet: Die aktuellen Mittel in den Kassen würden ausreichen, um die Mittelabflüsse zu decken. Klar ist allerdings auch: Angesichts des rasanten Wachstums und des hohen Investitionsbedarfs macht es für Nio durchaus Sinn, sich ein gewisses Polster an Barmitteln aufzubauen.
Kurzfristig müssen zudem bestehende Verbindlichkeiten refinanziert werden. Einen Teil der Verbindlichkeiten, die sich derzeit auf 9,5 Milliarden Dollar belaufen, wird Nio sicherlich auch künftig mittels neuer Kredite begleichen. Die Wandelanleihe etwa wird teilweise auch zur Rückzahlung alter Schulden und damit wohl auch zur Besserung des Kreditratings aufgewendet. Jedoch sind auch weitere Kapitalerhöhungen – verbunden mit einer weiteren Verwässerung der Altaktionäre – nicht auszuschließen.
Die Nio-Aktie hat in letzter Zeit deutlich verloren. Mit dem Abverkauf am Dienstag reagierten Aktionäre auf die Verwässerung ihrer Aktien. Bei den aktuellen Verlusten war die Kapitalerhöhung aber früher oder später zu erwarten. Weitere Maßnahmen sind nicht auszuschließen. Der E-Mobility-Newcomer überzeugt zwar nach wie vor mit starken Produkten und zuletzt soliden Auslieferungen. Anleger sollten allerdings nicht ins fallende Messer greifen und bleiben zunächst an der Seitenlinie.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Nio.