+++ So vervielfachen Sie Ihre Rendite +++

Wirecard-Skandal: "BaFin ist Schlafwagenabteil des Finanzministeriums"

Wirecard-Skandal:
Foto: shutterstock
Wirecard -%
29.06.2020 ‧ Leon Müller

Die Liste der Versäumnisse im Bilanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard wird immer länger. Besonders die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin steht am Pranger. Deren Präsident Felix Hufeld gestand bereits Fehler ein. Dabei kann es, so Beobachter, nicht bleiben. DER AKTIONÄR sprach mit FDP-Bundestagesmitglied Dr. Christoph Hoffmann.

Der Fall Wirecard beschäftigt zunehmend auch die Politik. DER AKTIONÄR sprach mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Christoph Hoffmann (FDP). Er beklagt den Vertrauensverlust und die schleppende Aufklärung in der Causa Wirecard und fordert, dass die FDP im Finanzausschuss des Bundestages aktiv wird.

Dr. Christoph Hoffmann, FDP

DER AKTIONÄR: Halten Sie es für ausgeschlossen, dass Wirecard selbst Opfer eines Betrugs geworden ist? Das Unternehmen argumentierte zunächst in diese Richtung.

Dr. Christoph Hoffmann: Aktuell kann und möchte ich nichts ausschließen. Die gesamte Situation ist noch unübersichtlich. Spekulationen helfen niemandem. Es ist nachvollziehbar, dass sich Wirecard schützen möchte. Umso wichtiger bleibt eine unabhängige Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft und die BaFin. Dass die Verantwortlichen bei Wirecard dabei vollumfänglich kooperieren müssen, versteht sich von selbst. Transparenz ist das Gebot der Stunde, die Verhaftung des Ex-Chef Markus Braun lässt jedoch vermuten, dass gegen Rechtsnormen verstoßen wurde.  

Den Behörden wird in der Causa Wirecard (u.a. Verfahren gegen Fraser Perring, Ermittlungen gegen Financial Times) nachgesagt, sie würden einseitig ermitteln. Teilen Sie diesen Eindruck?

Das kann ich nicht beurteilen. Meiner Kenntnis nach haben die Behörden unter anderem im Fall Perring umfangreich ermittelt, konnten aber eine Marktmanipulation nicht nachweisen. Aber es gibt ja auch Hinweise, dass Wirecard oder einzelne Personen bei Wirecard Journalisten, die über mögliche Manipulationen bei den Bilanzen recherchiert hatten, systematisch mit Cyberattacken eingedeckt haben. Da fällt es schwer an einen Zufall zu glauben.

Olaf Scholz hat gesagt, die Aufsichtsbehörden - gemeint war in erster Linie die BaFin - hätten einen guten Job gemacht. Teilen Sie diese Ansicht?

Nein ganz und gar nicht. Die BaFin ist ein Schlafwagenabteil des Bundesfinanzministeriums. Wie so oft, wiegen sich die Sicherheitsbehörden in Sicherheit: Es wird schon immer alles gut gehen.  Spätestens seit dem Eingeständnis von Felix Hufeld, sollte das klar sein. Man muss sich schon fragen, ob im Finanzministerium oder bei der BaFin Zeitungen gelesen werden.

Sie haben es angesprochen: BaFin-Chef Felix Hufeld gab sich selbstkritischer und hat gesagt, es sei "eine Schande, dass so etwas passiert". Reicht das?

Nein. Entschuldigende Worte ex post, reichen nicht aus, um einen rechtssicheren Raum für Anleger zu schaffen. Es ist ein immenser Schaden entstanden, nicht nur für Anleger,- das Vertrauen in den Wirtschafts- und Finanzstandort Deutschland wurde durch ein Versagen erschüttert. Investitionen und Wirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn der Rechtsstaat funktioniert.  

Wir müssen nun die Ermittlungsergebnisse abwarten und dann die Rolle von Bafin und deren Aufsicht - also dem Bundesfinanzministerium, bewerten. Klar ist aber schon jetzt: In der Causa Wirecard hat sich niemand mit Ruhm bekleckert und schadet Deutschlands Reputation als Finanzort.  

Vor über einem Jahr, als die FT erste Anschuldigungen gegenüber Wirecard erhob, hat die BaFin ein Leerverkaufsverbot erlassen. Wie dachten Sie damals, wie denken Sie heute darüber?

Das Verbot war richtig, aber spätestens dann wären weitere Schritte angezeigt gewesen. Es lief wohl doch mehr schief als damals entdeckt wurde.

Wirecard verfügt über eine Banklizenz. Es gab Berichte, wonach sich Mitglieder der Geschäftsführung dieser Bank bei früheren Tätigkeiten strafbar gemacht hätten. Hat die Bankenaufsicht ihren Job erfüllt?

Offenbar nicht, wenn man sich strafbar macht, ist das immer ein Zeichen, das etwas schief läuft. Das sagt selbst der BaFin-Chef. Ich vertraue darauf, dass die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden. Wenn klar ist, wo und wann was genau schief lief.

Das Unternehmen wusste offenbar nicht, was in Asien los ist. Die Aufsicht hat sich nicht eingebracht. Wie aber bewerten Sie die Rolle der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young. Immerhin haben sie die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2018 ohne Vermerk testiert.

Das ist unklar und eine spannende Frage! Mich interessiert hierbei vor allem, auf welcher Grundlange die WP Ernst & Young die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2018 testieren konnte. Auch hier bedarf es eine Aufklärung, sodass sich die Fehler nicht wiederholen. 1,9 Milliarden bei einem DAX-Konzern als Luftbuchungen müssen auffallen.

Welche Konsequenzen fordern Sie aus dem Bilanzskandal um Wirecard?

Es kann keine Konsequenzen geben, solange der Sachverhalt nicht restlos und vollumfänglich aufgeklärt ist. Jeder Anleger muss darauf vertrauen können, dass der staatliche Schutz vor Manipulation, Betrug funktioniert: Bei Staatsanwaltschaft und Bankenaufsicht. In der Causa Wirecard wird die FDP im Finanzausschuss aktiv werden. Ich persönlich würde einen Untersuchungsausschuss nicht ausschließen, denn das Ganze hat eine gewaltige Dimension. Erst wenn wir bewiesen wissen, was wirklich passiert ist, dürfen wir zu einem Schluss kommen.  

Ich glaube nicht, dass es Rechtslücken gibt, eher beim Vollzug gibt es Lücken. Aber wir müssen  zunächst die Ermittlungen abwarten. Es muss aber auch Konsequenzen bei der Bafin und im Finanzministerium geben. 

Wen sehen Sie als Geschädigten in dieser Angelegenheit an?

Die vielen kleinen Anleger, Sparer aber auch Fondanleger, die in Vertrauen auf eine solide Basis des DAX-Konzerns und die staatliche Überwachung gesetzt haben. Aber nicht zuletzt auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die schleppende Aufklärung, Intransparenz und Sprachlosigkeit der Verantwortlichen schreckt Investoren ab.

Sehen Sie den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Ansehen geschädigt?

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist solide, Vollzugsdefizite der Aufsicht kann und muss man beheben. Hier wünsche ich mir, wie bei vielen Sicherheitsbehörden mehr Biss. Wer die Parkuhr überzieht hat nach 30 Minuten einen Strafzettel. Hier verschwinden 1,9 Mrd. bei einem Dax Konzern und man merkt das nach zwei Jahren. Das darf einfach nicht passieren.  Aber ich habe großes Vertrauen in die Fähigkeit unserer Justiz, Licht ins Dunkle zu bringen. 

Behandelte Werte

Name Wert Veränderung
Heute in %
Wirecard - €

Aktuelle Ausgabe

Gesucht wird die neue Nvidia, Palantir oder Coinbase – das sind die großen AKTIONÄR-Favoriten für 2025

20.12.2024 Nr. 52/24 + 01/25 7,80 €
Paypal Sofortkauf Im Shop kaufen Sie erhalten einen Download-Link per E-Mail. Außerdem können Sie gekaufte E-Paper in Ihrem Konto herunterladen.

Buchtipp: Die Geschichte der Spekulationsblasen

Eigentlich sind wir alle ziemlich schlau. Nur das mit dem Geld klappt nicht so recht … und manchmal geht es sogar richtig schief. Doch warum nur? Mit „Die Geschichte der Spekulationsblasen“ macht sich John Kenneth Galbraith, einer der ganz großen Ökonomen des 20. Jahrhunderts, auf die Suche nach der Antwort. Und er sucht an den richtigen Stellen – den Finanz­katas­trophen der letzten vier Jahrhunderte: der Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts, der Südseeblase im 18. Jahrhundert, den Hochrisiko-Anleihen im 20. Jahrhundert. Mit Geist und Witz erklärt Gal­braith die psychologischen Mechanismen hinter diesen Blasen … damit der Leser sie durchschaut und sich dagegen wappnen kann. Dieses Meisterwerk zum Thema Finanzpsychologie war vergriffen und wird nun im Börsenbuchverlag wieder aufgelegt.

Die Geschichte der Spekulationsblasen

Autoren: Galbraith, John Kenneth
Seitenanzahl: 128
Erscheinungstermin: 19.03.2020
Format: Hardcover
ISBN: 978-3-86470-677-6

Jetzt sichern Jetzt sichern