Mehrere Jahrzehnte geballte Börsenerfahrung, dafür steht Thomas Gebert. Der Autor mehrerer Bücher hat schon viele schwierige Börsenphasen miterlebt. Im exklusiven Interview gibt er seine Einschätzungen zur aktuellen Coronakrise.
Der Aktionär: Herr Gebert, wie geht es Ihnen? Das muss man ja heute als erstes fragen.
Thomas Gebert: Danke, ich bin wohlauf. Da ich fast 65 bin und nicht besonders fit, gehöre ich wohl zur Risikogruppe. Deshalb vermeide ich jeglichen Kontakt.
Und wie geht es Ihrem Depot?
Oh, ich habe geblutet, wie vermutlich die meisten Ihrer Leser. Durch die sich oft widersprechenden Zahlen und Einschätzungen von Virologen ist man in die Irre geleitet worden. Ende Februar war die Zahl der Neuinfektionen in China schon auf unter 100 gesunken und die Fallzahl in Deutschland lag bei 79. Da sah es so aus, als ob diese Epidemie an uns vorbeiziehen würde. Das Robert-Koch-Institut sagte auch, dass die Krankheit auf China beschränkt bleiben werde.
Dann kam das Wochenende, an dem Italien die Lombardei abgeriegelte und in der Woche drauf stürzte der DAX um beinahe 20 Prozent. Also, erst sah alles so aus, als ginge es glatt und dann innerhalb von wenigen Tagen ein Kursverlust von 20 Prozent. An jedem Tag in dieser Woche dachte ich, jetzt sind die Kurse schon so weit gefallen, jetzt lohnt es sich nicht mehr zu verkaufen. Rückwirkend betrachtet hätte es sich an jedem einzelnen Tag doch noch gelohnt.
Wie geht es nun weiter mit den Aktien?
Zunächst einmal sind die Aktien immer noch sehr teuer. Laut Bloomberg verdienten die 30 deutschen DAX-Aktien im Jahr 2019 umgerechnet auf einen DAX 582 Euro, vor außerordentlichen Aufwänden und Erträgen (Earnings per share before XO). Vor dem Aktiensturz waren sie also bei einem DAX-Stand von 13.750 Punkten mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23 bereits sehr teuer.
In diesem Jahr werden die Unternehmensgewinne vermutlich um 40 Prozent fallen, wie bei einer schweren Rezession, und das ist noch optimistisch gerechnet. Bei einem DAX Stand von 10.000 Punkten und Unternehmensgewinnen von 350 Euro pro DAX haben wir Moment vermutlich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28. Teurer waren die deutschen Aktien fast noch nie.
Auch scheint mir der Optimismus im Moment zu groß zu sein. Es herrschte ja eine richtige Kaufpanik, die den DAX auf über 10.000 Punkte getrieben hat. Es gehen wohl offensichtlich alle davon aus, dass in drei Monaten alles vorbei sein wird, die Wirtschaft wieder wächst und der DAX in alten Höhen schwebt. Auch die von der UBS durchgeführte Umfrage unter den Fondsmanagern zeigt keine sonderliche Beunruhigung. Alle nehmen eine schnelle Erholung an.
Aktien sind das richtige und einzige Investment in dieser Zeit.
Dann raten Sie von Aktien ab?
Nein auf keinen Fall. Aktien sind das richtige und einzige Investment in dieser Zeit. Die Lockerungsmaßnahmen der Notenbanken sollten auf Dauer die Kurse beflügeln und auch die Wirtschaft wieder in Schwung bringen können.
Nur, ich glaube, der Aktionär muss ein bisschen Geduld mitbringen. So schnell wird das alles nicht gehen. Eine Volkswirtschaft erholt sich nicht ruckzuck von einem Einbruch. In den USA wird die Arbeitslosenquote auf vermutlich 15 Prozent steigen. Es dauert Jahre bis die alle wieder einen Job gefunden haben. Und in der Zeit bis dahin tragen sie nur wenig zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Nomura schätzt für Europa, dass der Stand des Bruttoinlandsproduktes von vor dem Krankheitsausbruch erst wieder Ende des Jahres 2023 erreicht sein wird.
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Im zweiten Teil des Interviews erklärt Thomas Gebert seine Einschätzungen zum Thema Gold und welche Aktien er nun kaufen würde oder ob wir gar eine Systemkrise sehen werden. (Teil zwei folgt am 03.04.2020)