Die niiio finance group AG hat mit der Übernahme des Softwareanbieters Patronas Financial Systems die geplante Expansionsoffensive gestartet. Mit PATRONAS hat niiio eine vielversprechende Beteiligung erworben – und das zu einem günstigen Preis: Auf der Kundenliste stehen renommierte Adressen wie DJE Kapital und Flossbach von Storch. Der Kauf (gegen Sacheinlage) für das 2,5-Fache des Umsatzes ist vergleichsweise preiswert. Das Ziel des deutschen Fintech-Unternehmens ist nichts Geringeres, als den europäischen Softwaremarkt für Vermögensverwalter und Banken mit Cloud- und KI-Angeboten zu revolutionieren und die „niiio finance group zum führenden SaaS-Anbieter für das Wealth Management in Europa zu machen“, wie niiio-CEO Johann Horch im Exklusiv-Interview mit DER AKTIONÄR erläutert.
DER AKTIONÄR: Herr Horch, die niiio will stark durch Übernahmen wachsen. Was ist Ihr Masterplan hinter dieser M&A-Strategie?
Johann Horch: Asset und Wealth Manager müssen ihre Prozesse radikal digitalisieren, um Kosten zu halbieren, aber im Unterschied zu den USA und Asien gibt es dafür in Europa nur Software-Anbieter mit Teil-Lösungen. Der Markt der Anbieter von sogenannten Wealth-Tech-Lösungen ist mit weit über 100 europäischen Nischenanbietern fragmentiert und steht vor der Konsolidierung. niiio hingegen ist eine Tech-Plattform, die alle relevanten SaaS-Lösungen aus einer Hand anbietet. Diese wollen wir Schritt für Schritt erweitern und sowohl passende Lösungen als auch Entwickler-Kapazitäten zukaufen. Dank unserer Cloud-Plattform können wir zusätzliche Software-Angebote schnell und unkompliziert integrieren, das ist ein enormer Vorteil. Unsere M&A-Strategie hat das Ziel, die niiio finance group zu dem führenden SaaS-Anbieter für das Wealth-Management in Europa zu machen.
Vor Kurzem haben Sie die Übernahme der PATRONAS Financial Systems GmbH gemeldet und zahlen dafür rd. 10 Mio. Euro in Aktien. Was macht PATRONAS Financial Systems so interessant für niiio?
Johann Horch: PATRONAS hat eine Software für das Portfolio-, Order- und Risikomanagement für das institutionelle Wertpapiergeschäft. Damit adressiert die Software eine wichtige neue Kundengruppe für niiio, gleichzeitig aber stellen die institutionellen Kunden eine spannende neue Investorengruppe für uns dar. Dieser Bereich steht für rund 70 Prozent des adressierbaren Marktes im Sinne der hier verwalteten Assets under Management. Eine bessere Ergänzung für das bisherige Produktportfolio der Gruppe hätten wir kaum finden können. Zudem ist PATRONAS mit seiner Lösung bereits in einigen europäischen Ländern präsent, was unsere Internationalisierung sehr sinnvoll ergänzt.
Wo sehen Sie die größten Synergie- bzw. Cross-Selling-Potenziale des Deals? Wie soll die Post-Merger-Integration gelingen?
Johann Horch: Gemeinsam werden wir neue Kunden angehen, aber natürlich gibt es auch unmittelbare Cross-Selling-Potenziale. Jeder von uns kann seinen bisherigen Kunden jetzt zusätzlich die Lösung des jeweils anderen Partners anbieten. Synergien wird es in allen Bereichen geben, von der Entwicklung und Einkauf bis zum gemeinsamen Vertrieb und Marketing. Um diese zu heben, haben wir mit Hilfe der Bankenstrategieberatung zeb auch eine detaillierte Post-Merger-Integration-Strategie entwickelt. Da Patronas additives Angebot zu niiio hat, sind die PMI-Aufwände zum Glück fast vernachlässigbar. Anders gesagt, spätestens im ersten Quartal 2022 ist die Integration abgeschlossen.
Sie haben für PATRONAS ein Multiple von 2,5 auf den Umsatz bezahlt, niiio selbst wird gemessen daran deutlich höher taxiert. Inwiefern können Sie damit auch Werte für die niiio-Aktionäre schaffen?
Johann Horch: Weltweit gibt es ca. 80 börsennotierte Unternehmen mit einem Plattform-Geschäftsmodell. niiio ist eines davon. In Europa kann man die Unternehmen an einer Hand abzählen. Diese Unternehmen werden mit einem durchschnittlichen Umsatz-Multiple von ca. 17 bewertet, niiio ist im Vergleich dazu mit einem Multiple von 8 noch deutlich günstiger. Unter unserem Dach kann PATRONAS seine bereits eingeleitete Umstellung auf das SaaS-Modell erheblich beschleunigen. Da wir keine Integrations-Aufwände haben, können wir PATRONAS schnell hochskalieren. Dann kann man sich leicht ausrechnen, welche Bewertung denkbar ist, zumal wir 2022 mit über 150 % wachsen wollen und einen konsolidierten Umsatz der Gruppe von über 6 Mio. Euro in 2022 anstreben.
Sie wollen die Konsolidierung des Softwaremarktes aktiv mitgestalten. Glauben Sie, dass Sie weiterhin ähnlich günstige Targets finden?
Johann Horch: Ja, denn viele Unternehmer in diesem Bereich sehen selbst, dass sie als Nischenanbieter auf Dauer keine Zukunft haben, oder sie haben schon heute ein Nachfolgeproblem. Wir haben uns den Markt genau angesehen. Von den 120 im Sektor tätigen Firmen haben wir 60 angesprochen, mit 15 vertiefende Gespräche geführt und mit fünf von ihnen stehen wir in Abstimmungen und tauschen Bewertungsideen aus. Mit diesen Targets könnten wir jederzeit in eine konkrete Due Diligence einsteigen, wenn wir die finanziellen Mittel dafür haben. Die PATRONAS-Übernahme ist jetzt unser Proof-of-Concept. Die Wettbewerber haben nun die Wahl den Häuserkampf allein zu gestalten oder mit niiio gemeinsam den Markt zu erobern. Die Antwort liegt doch auf der Hand.
Können Sie etwas präzisieren, in welchem Bereich Sie zuschlagen wollen – eher Technologie- oder Know-how-getrieben oder eher, um regional zu expandieren?
Johann Horch: Wir sprechen insbesondere mit Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette des Wealth-Managements aktiv sind und Banken sowie Asset Manager als Kunden haben. Zudem sind Softwarefirmen, die im Wealth-Planning stark sind, interessant für uns. Wir setzen auf weltweit skalierbare Plattformgeschäftsmodelle. Beispielsweise können wir mit den PATRONAS-Softwarelösungen die erste FinTech KVG der Welt auf die Beine stellen. Die Frage ist weniger, in welchen Bereichen wir aktiv sein wollen, denn die Bereiche sind durch unsere Produkt-Markt-Matrix determiniert, sondern in welcher Reihenfolge wir akquirieren.
niiio finance hat im November die Blockchain-Tochtergesellschaft niiio Ledger AG gegründet. Welche Strategie steckt dahinter und welche Ziele verfolgen Sie im Blockchainbereich?
Johann Horch: Wir legen die Funktion von Clearstream, Emissionsbank, Depotbank und Broker in eine Hand, nämlich in unsere. Die neue Gesellschaft bündelt alle Aktivitäten rund um unser zentrales Langfristprojekt, die Digitalisierung des Aktienhandels auf Basis der Distributed Ledger-Technologie. Die Form der Aktiengesellschaft haben wir gewählt, um in Zukunft die Gesellschaft auf einfache Weise zu kapitalisieren und weitere Partner als Mitanteilseigner einbeziehen zu können. Unser Ziel ist es, die digitale Emission, Verwahrung, Depotführung und den anschließenden Handel von Wertpapieren auf einem Distributed Ledger zu ermöglichen. Die Folge wäre ein Wechsel vom zentralen Settlement hin zum dezentralen Settlement und damit ein völlig neues, kostensparendes Modell für Wertpapier-Emission und Handel auf Basis der Blockchain-Technologie.
Wie weit ist niiio in dieser Hinsicht und wie weit ist die Transformation des Wertpapierhandels auf dezentrale Blockchain-Technologien generell noch entfernt?
Johann Horch: Wir sind ready to go. Sobald die Regulatorik den Weg ebnet, legen wir den Schalter um. In den vergangenen Monaten haben wir gemeinsam mit der niederländischen Quantoz am Proof of Concept (PoC) auf einem Distributed Ledger gearbeitet und diesen vor kurzem erfolgreich abgeschlossen. Damit ist der Beweis für die technologische Durchführbarkeit des Vorhabens erbracht und die praktische Umsetzung eines dezentralen Handels von Test-Tokens demonstriert. Sobald die gesetzliche Regulierung dies erlaubt, werden wir Aktien digitalisieren können. Dazu gehört die Emission ebenso wie die Verwahrung von digitalen Aktien. Zusätzlich wollen wir den Banken das digitale Konto und Depot als Wallet anbieten. Langfristig wollen wir gemeinsam mit einem Börsenpartner auch den Handel mit digitalen Aktien ermöglichen.
Die niiio finance AG hat sich zweifelsohne sehr hohe Ziele gesetzt. Die PATRONAS-Übernahme ist die Blaupause für die Expansionsstrategie: kaufen, konsolidieren und Skaleneffekte ausschöpfen. Das Mangement muss jetzt weiter liefern, dann wird sich auch endlich die Aktie nach oben bewegen. Stopp: 1,25 Euro.