Jeden Morgen auf dem Weg zur Börse bin ich irgendwie dankbar, andere „Leidensgenossen“, Frühaufsteher auf dem Weg zur Arbeit anzutreffen – mal mehr, mal weniger verschlafen. Doch diese ganz frühen Stunden haben auch etwas Versöhnliches, Tröstliches zum Innehalten. Denn egal, was vorher war – Sorgen, Freude, Ängste, Aufregung – es wird jeden Morgen wieder hell und ein ganz frischer neuer Tag beginnt.
Und auch nach der Coronakrise, den Lockerungen der Beschränkungen und dem Wiederhochfahren nach dem Lockdown wird es wieder hell. Das soll kein philosophisch angehauchter Kommentar werden, sondern mein Blick auf die Situation, in der ich/Sie/wir uns alle befinden.
Den ersten Lichtstreifen am Horizont sehe ich, skeptisch blinzelnd, in den ersten Lockerungen der Maßnahmen.
Zum Hellwerden gehört das Aufwachen aus dem Schlaf, dem Homeoffice, der ins Koma gelegten Wirtschaft. Doch die ersten Anzeichen in dieser Woche an der Börse hätten wahrlich schlimmer ausfallen können bei dem Patienten „Quartal Nummer 1“.
Die Deutsche Bank, das jahrelange Sorgenkind, überrascht mit positiver Bilanz. Bayer profitiert in den ersten drei Monaten von der Nachfrage rezeptfreier Medikamente, Volkswagen schmeißt die Bänder wieder an, nur die Lufthansa kämpft allerdings noch um Rückendeckung vom Bund in Milliardenhöhe.
Allein daran wird deutlich, wie heftig diese Krise ist, wenn die Lufthansa, mit einem der dicksten Finanzpolster, kurz vor dem Corona-Tod steht.
Keiner kann etwas für diese Krise und Hilfe ist dringend nötig – für kleine und mittelständische Unternehmen noch viel mehr.
Die Räder drehen sich, auch während des Dornröschenschlafs.
Vorstände, Politiker und auch Familien sitzen an Plänen zur Krisenbewältigung, neuen Ideen und Zukunftsprognosen. Und so dreht sich auch während des Lockdowns viel mehr weiter als zunächst sichtbar.
Eine gute Freundin hat gerade ein Kind zur Welt gebracht und erzählte mir, dass es im Kreißsaal und auf der Station laut Hebammen und Schwestern nie so ruhig und entspannt zuging. Die Kinder schlafen durch und geweint wird deutlich weniger. Denn die Besucher bleiben vorerst weg und müssen sich gedulden. Die Neugeborenen haben das um sich, was sie brauchen: Ruhe und ihre Mutter.
Vielleicht sollte man das auch der Wirtschaft gönnen: die nötige Zeit, um sich zu rehabilitieren. Und ohne den Bund die Mutter nennen zu wollen, gilt es jetzt doch, mit finanziellen Erleichterungen den Bürgern die Sorgen etwas zu nehmen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es wird sicher Nachrichten und Situationen geben, die nicht mit Ruhe und Optimismus zu lösen sind. Auch mir wird nach sechs Jahren Börse und Finanzjournalismus bei vielen Zahlen ganz anders zumute, gerade jetzt. Doch immer eins nach dem anderen.
Sicher wird das Ausmaß der konjunkturellen Schäden erst nach einem kompletten Hochfahren der Wirtschaft deutlich werden. Umso wichtiger ist es jetzt, Schritt für Schritt zu gehen, offen zu sein für neue Ideen, Start-ups, Innovationen im medizinischen Bereich, Lieferdienste und vieles mehr. Nichts macht so erfinderisch wie die Krise selbst.
Zu guter Letzt ein Dankeschön an die Drogerieverkäuferin, die mir aus Solidarität für andere Berufstätige außerhalb des Homeoffice ihre Ration an notwendigen Produkten überlassen hat. Bleiben Sie menschlich und sehen Sie andere. Denn genau das hilft. Ich freue mich, auch weiterhin für Sie im Fernsehen, online und auf dem Papier sichtbar sein zu dürfen.
Und vergessen Sie nicht: Es wird immer wieder hell …
Ihre
Johanna Krämer