Nach Rotterdam und Antwerpen gilt der Hamburger Hafen als der größte in Europa. Jetzt droht die Vorgehensweise der Stadt Hamburg ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Beinahe schon typisch für die desolate Wirtschaftspolitik in Deutschland, will der Stadtstaat auch in Zukunft ein gehöriges Wörtchen dabei mitreden, was im Hafen passiert.
Weil der Hafen international weiter an Bedeutung zu verlieren droht, weil das Management besser sein könnte, was man gewiss ungern zugeben wird in der Hansestadt, will Hamburg nun doch einen (strategischen) Investor an Bord holen. Und hat mit der in der Schweiz ansässigen Reederei MSC dem Vernehmen nach eine „verbindliche Vereinbarung“ getroffen. Als Reaktion auf die Meldung ist die Aktie der HHLA am Mittwoch um nahezu 50 Prozent in die Höhe geschossen. Ein Kunststück ist das nicht. Zuvor war das Papier auf den tiefsten Stand aller Zeiten gefallen – den Corona-Crash einmal außen vor. Da notierte die einst hoffnungsvoll gestartete Aktie für einen Augenblick (einen Tag) noch tiefer als zuletzt.
Warum nun derart kritische Worte angesichts der Belebung des Aktienkurses? Weil die Hansestadt, die die Aktienmehrheit hält und auch in Zukunft halten möchte (50,1 Prozent werden angestrebt), sich offenbar im Hinterzimmer mit MSC besprochen hat. Eine mögliche Offerte des Logistik-Milliardärs Klaus-Michael Kühne (u.a. Hapag-Lloyd, Kühne + Nagel, Lufthansa) wollte man nicht abwarten. Der hatte zuletzt immer wieder geäußert, eine solche zu erwägen. Und schäumt nun vor Wut. „Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben“, so Kühne nach der Veröffentlichung des MSC-Angebots. „Wenn Hapag-Lloyd es nicht tun würde, erwägt meine Kühne Holding AG, es kurzfristig zu tun.“
Sein Interesse stieß bisher nicht auf Gegenliebe. Senatssprecher Marcel Schweitzer sagte eine Woche zuvor, auf die Avancen Kühnes angesprochen: „Wir können bestätigen, dass der Senat nicht beabsichtigt, die Mehrheit der HHLA an Investoren zur Verfolgung privater Geschäftsinteressen zu verkaufen.“ Dass man sich nun mit MSC geeinigt haben will, überrascht angesichts dieser Worte. Und stellt infrage, ob der gebürtige Hamburger Kühne mit einem entsprechenden Angebot überhaupt noch Aussicht auf Erfolg hätte.
„Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Hafen: Er ist schlecht strukturiert, schlecht gemanagt und kann mit der Konkurrenz in einigen anderen Seehäfen nicht mithalten“, sagte der 86-Jährige dem Hamburger Abendblatt. Die Entscheidung pro MSC und contra Hapag-Lloyd bezeichnet er nun wenig überraschend als „Affront“. Das ist sie auch – aus Sicht der freien Aktionäre in jedem Fall. Denn ein offener Bieterkampf um den offerierten Aktienanteil würde den Kurs weitaus stärker beflügeln als ein Hinterzimmer-Deal, in dem SPD-Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard keinen Affront erkennen will.
Auch den Hamburgern dürfte ein Deal Hamburg-Hamburg – die Hapag-Lloyd ist nicht nur größter Partner der HHLA, sondern hat ihren Sitz auch in der Hansestadt – lieber sein. Aber dieses Interesse spielte bei den Überlegungen scheinbar keine große Rolle. Typisch eben für die derzeitige Politik im Land, vorbei an Mensch und Markt.