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Dirk Müller: Der Poser

Dirk Müller: Der Poser
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02.06.2020 ‧ Leon Müller

Einst war er Händler, dann ein Star. Nach fünf Jahren kommt die Ernüchterung mitten im Crash: Dirk Müller bleibt „hinter der Kurve“.

Sie machten ihn berühmt. Seine Gesten, seine Mimik. Dirk Müller erhob sich dank eines Zufalls aus dem Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt hinauf in die Sphären prominenter Börsianer. Besser gesagt: Er wurde gehoben. Er lieferte den Fotografen zu jedem DAX-Stand den passenden Ausdruck, die Pose, zuverlässig, auf Knopfdruck. Er gab der Börse, für viele ein Buch mit sieben Siegeln, ein Gesicht. Dirk Müller wurde Mister DAX. Heute, zwölf Jahre später, ist vom sympathischen Händler nicht mehr viel geblieben. Dirk Müller ist heute ein anderer Mensch. Ein Menschenfänger. Der Tausende in Hallen lockt, der zigtausende Bücher verkauft und Hunderte Millionen Euro verwaltet. Ein Geschäftsmann. Der ein Schloss besitzt. In Talkrunden als Experte sitzt. Dirk Müller ist heute eine Marke. Eine Marke, die eng verbunden ist mit der größten Angst eines jeden Börsianers: dem Crash. Gebetsmühlenartig wiederholt er seit Jahren sein Mantra: Der Crash wird kommen.

Börsenlegende Hans A. Bernecker nennt Dirk Müller einen Wirrkopf.

Der Wirrkopf

„Dirk Müller ist ein Wirrkopf“, sagt Hans A. Bernecker. „Wer alle drei Monate den Crash voraussagt, und das schon seit vielen Jahren, wird selbstverständlich irgendwann richtigliegen.“ Seriös sei dies gewiss nicht. „Aber bei den Leuten kommt die Methode an. Offensichtlich kann sich der Mann gut vermarkten.“ Das kann er, daran gibt es angesichts seines Erfolgs keinen Zweifel.

Müller erinnert Bernecker, der schon seit Jahrzehnten zur Börsenprominenz zählt, an den vor Kurzem verstorbenen Wirtschaftsjournalisten Paul C. Martin, Autor von Büchern wie „Wann kommt der Staatsbankrott“ (1983) oder „Zahlmeister Deutschland. So verschleudern sie unser Geld“ (1991). „Martin hat Anfang der 1970er-Jahre Seminare gegeben, wo er den Besuchern richtig Angst gemacht hat. Damals war die Stimmung wegen der Ölkrise im Keller. Ich weiß noch, wie Martin auf der Bühne stand und rief: Ihr werdet alle arm! Und wissen Sie, wie die Leute reagiert haben? Gejubelt haben sie!“ Bei Müller sei es heute genauso. 

Frank Thelen („Die Höhle der Löwen“) hat Dirk Müller auf LinkedIn kritisiert.

Der Sensible

Und wird er nicht bejubelt, kann er auch anders. Einerseits smart kontern. Etwa als ihn Frank Thelen, bekannt durch seine Auftritte in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“, über LinkedIn verbal angreift und herausfordert: „Lasst uns gerne über verschiedene Anlagestrategien, sogar kurzfristige Taktiken diskutieren, aber mit dem möglichen ‚DAX-Absturz‘ Kasse zu machen und dann im eigenen Fonds nicht mal zwei Prozent Gesamtrendite in fünf Jahren ...“ Müller bleibt gelassen, bügelt Thelen durchaus sympathisch mit wenigen Zeilen weg und erntet Applaus. Andererseits kann er aber auch böse austeilen. Zum Vorschein kommt ein Charakterzug, der alles andere als smart oder sympathisch ist. Dann wirkt Müller wie ein Kind, das zu wenig, zumindest aber nicht die gewollte Aufmerksamkeit bekommt. Oder besser gesagt: Anerkennung. Als Jan Schmidbauer, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, einen kritischen Artikel über Müller veröffentlicht, keilt dieser regelrecht aus. Versucht in epischer Breite, die Recherche des Autors unglaubwürdig zu machen. Als Überschrift für seinen Beitrag auf seiner Plattform wählt er harsche Worte: „Dirk Müller: Wenn Journalisten Rufmord begehen – Eine Fallstudie in eigener Sache“. Das mag verfangen, weil Müller hier wie generell gern von den „Massenmedien“ und den „Systemmedien“ spricht, die ihm die Butter auf dem Brot nicht gönnen würden. Diese Sensibilität ist kein neuer Charakterzug. Nur kommt sie beim Gründer von Finanzethos heute womöglich nur anders zur Geltung. Erkennbar war sie schon damals. Als er die große Bühne der Börsen-Fachleute erstmals betrat. Als er neben Größen wie Hendrik Leber oder Hans A. Bernecker zum Round Table ins Frankfurter Büro des AKTIONÄR geladen wurde. Da geriet er kurzzeitig mit Bernecker aneinander. Es war ihm sichtlich unangenehm, als Bernecker ihn mit Argumenten an die Wand spielte. An der fehlenden Achtung hat sich bis heute wenig geändert. In Finanzkreisen genießt der Crash-Prophet keinen sonderlich guten Ruf. Aber das tun Crash-Propheten ohnehin eher selten. Nichts also, womit nur er allein sich auseinandersetzen müsste.

Das Spiel mit der Angst

Die Börse kennt zwei Anlegertypen. Jene, die von Gier getrieben werden. Und solche, die aus Angst agieren. Weil fast alle Medien und Marktteilnehmer die erste Gruppe adressieren, hat Müller in der Nische leichtes Spiel. Er füllt Hallen und seine Videos auf YouTube werden zigtausendfach gesehen. Kommentieren allerdings dürfen Zuschauer dort nicht – die Funktion ist deaktiviert. Obwohl Müller vorgibt, es sei ihm lieber, man spreche mit ihm statt über ihn, war er nicht bereit, sich den Fragen des AKTIONÄR zu stellen. Er sucht sein Publikum und damit die Käufer seines Fonds längst nicht mehr in Fachzeitschriften und -magazinen, sondern in den Massenmedien. Dort, wo seine Versprechen besser verfangen. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Vorgehensweise der Überzeugung folgt, erfahrenere Anleger würden das Spiel durchschauen – und den Fonds meiden.

Ali Masarwah sagt: „Crash-Fonds können langfristig nicht bestehen.“

Fast allein auf weiter Flur

Sehr wohl auseinandersetzen muss sich Dirk Müller allerdings mit seinen Fondsanlegern. Und zwar allein. Schließlich trägt der Fonds seinen Namen. Seit fünf Jahren ist er mit seinem Fonds „Dirk Müller Premium Aktien“ am Markt. Seit fünf Jahren hat der Fonds keine Performance vorzuweisen. Seit fünf Jahren heißt es für Anleger: Außer Spesen nichts gewesen. Neutraler Beobachter der Szenerie ist Ali Masarwah. Er arbeitet bei Morningstar. Die Agentur kann Fonds in den Himmel heben. Und sie kann sie vernichten. Fünf Sterne sind das höchste der Gefühle. Ein Stern so ziemlich das Letzte, was ein Fonds sich auf die Fahnen schreiben will. Der Dirk Müller Premium Aktien Fonds hat ihn. Diesen einen Stern. Keine fünf. Die Einstufung wird monatlich überprüft. Nach vier Sternen im Vormonat jetzt nur einer: „Das ist angesichts einer Underperformance von über zehn Prozentpunkten zur Benchmark angemessen und berechtigt“, kommentiert Masarwah die vernichtende Einstufung. Tatsächlich: Der Fonds ist gemessen an der bisherigen Performance ein Rohrkrepierer. Ein Anteil kostete vor fünf Jahren 100 Euro. Bis zu vier Prozent Ausgabeaufschlag sind beim Erwerb fällig, mindern sogleich den zu veranlagenden Betrag. Hinzu kommen relativ hohe laufende Kosten. Die Total Expense Ratio (TER) beläuft sich auf 1,64 Prozent per 31.12.2019. Wer seine Anteile heute zurückgeben möchte, erhält nur rund 101,24 Euro, hat so gut wie keinen Ertrag. Zwar trifft das auch auf DAX-Anleger zu, die etwa mittels ETF an der Entwicklung des Deutschen Aktienindex partizipieren, allerdings zahlen sie dabei für die gleiche Rendite weitaus weniger Gebühren. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Crash-Fonds langfristig nicht bestehen können. Fallen die Märkte schnell, egalisieren die Absicherungen über Optionen oder Futures die Verluste. Das Problem dabei: Auf lange Sicht steigen die Aktienmärkte. Die Absicherungen wirken dann kontraproduktiv“, sagt Ali Masarwah. Anders gesagt: Mit dem Dirk Müller Fonds geht man eine permanente Wette gegen den übergeordneten Trend an den Märkten ein. Das kann nicht funktionieren.

Ein Fonds für die Binsen

Der Fonds steht damit nicht nur sinnbildlich für den propagierten Stillstand und Absturz, sondern auch faktisch. Er manifestiert das Gefühl, es ginge nichts voran, alles sei gefährdet. Denn: Er selbst gefährdet die Altersvorsorge all jener, die auf ihn vertrauen. Weil er entgegen seinem hochtönenden Namen „Premium Aktien“ weder „Premium“-Rendite bringt, noch mit den allermeisten, selbst günstigeren Aktien-ETFs, mithalten kann, ist er alles andere als besonders. Bestenfalls besonders beschwerlich. Eine Mogelpackung, ein leeres Versprechen. Drum kann allen investierten Anlegern nur geraten sein: Verkaufen und umschichten. Eine Kombination etwa aus einem aktiv gemanagten Fonds wie dem Acatis Aktien Global (Dauerempfehlung des AKTIONÄR) und einem schlichten ETF auf den MSCI World (Comstage, WKN: ETF110) bietet zwar weniger Promifaktor, auch weniger Begleitmusik, dafür aber am Ende des Tages eine ansehnliche Rendite. Und nur sie rückt das Ziel höherer finanzieller Unabhängigkeit überhaupt erst in greifbare Nähe. Schließlich ist jeder seines Glückes eigener Schmied. Wer auf Dirk Müller, und sei es der Unterhaltung wegen, weiterhin nicht verzichten will, kann relativ bedenkenlos zu seinen Büchern greifen. Die bergen immerhin nicht das Risiko einer langfristigen Underperformance.

Ernüchterung im Crash

Fonds brauchen Zeit, um zu reifen. Eine adäquate Bewertung ist erst nach fünf Jahren als fair anzusehen. Im Fall des Dirk Müller Premium Aktien Fonds fällt diese Bewertung ernüchternd aus – oder um eine von Müller häufig genutzte Formulierung zu nutzen: Der Fonds ist „hinter der Kurve“ geblieben. Selbst im Crashjahr, der angeblichen Paradedisziplin von Dirk Müller, weiß der Fonds nicht wirklich zu überzeugen, liegt minimal (vor Kosten) im Plus. Kundengelder im Volumen von 550 Millionen Euro stehen im Risiko. Wer Anteile hält, trennt sich jetzt von ihnen. Bessere Alternativen bieten sich zum Umschichten an. Sie haben weniger Promi-Faktor, dafür aber mehr Renditechancen. Und auf Letztere kommt es schließlich an.

Dieser Artikel ist in DER AKTIONÄR Nr. 23/2020 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.

von Leon Müller & Andreas Deutsch

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