Der Chip-Entwickler Dialog Semiconductor konnte die Börsianer mit dem Ausblick auf das vierte Quartal bei der Veröffentlichung der Zahlen zum dritten Quartal nicht überzeugen. Der TecDAX-Wert wurde nach unten durchgereicht. Auch die Übernahme von Atmel hängt nun am seidenen Faden. Am 19. November ist Tag der Entscheidung.
Auf den ersten Blick sahen die Zahlen zum dritten Quartal nicht so schlecht aus, als dass ein derartiger Einbruch der Aktie zu rechtfertigen wäre. Die erreichten Wachstumsraten lassen keine bedrohliche Wachstumsschwäche erkennen: Der Umsatz kletterte im Jahresvergleich um 18 Prozent auf 330 Millionen Dollar. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Dialog Semiconductor die Bruttomarge mit 46,3 Prozent auf dem hohen Niveau der Vorquartale halten konnte. Beim EBIT schaffte der Konzern ein Plus von 44 Prozent auf 60,4 Millionen Dollar. Auf Nettobasis blieben 43,0 Millionen Dollar hängen, was einem Zuwachs von 68 Prozent entspricht. Die eigenen Prognosen des Chip-Entwicklers wurden somit erreicht. Allerdings eben nur am unteren Ende. Im Bericht zum zweiten Quartal hatte das Management für Q3 2015 eine Umsatzspanne von 325 bis 345 Millionen Dollar prognostiziert. Die Erwartungshaltung seitens der Analysten und Investoren war entsprechend hoch, nachdem die Firma in den zurückliegenden Quartalen regelmäßig mindestens das obere Ende der Prognosen getroffen beziehungsweise sogar deutlich übertroffen hatte. Die Erfolge der Vergangenheit holen Dialog nun ein.
Ausblick zu verhalten
Doch die Q3-Zahlen sind es nicht alleine, die der Aktie den Boden unter den Füßen wegzogen. Vor allem der Ausblick bereitet den Investoren Sorgen. Dialog- Chef Jalal Bagherli stellt für das Weihnachtsquartal einen Umsatz von 430 bis 460 Millionen Dollar in Aussicht. Die Analystenprognosen lagen bis dato bei 472 Millionen Dollar. Wenn man davon ausgeht, dass Dialog die Mitte der eigenen Prognosespanne trifft, würde für das zweite Halbjahr, das traditionell das bessere ist, ein Gesamtumsatz von 775 Millionen Dollar durch die Bücher gehen. Im Vergleich mit dem zweiten Halbjahr 2014 wäre das ein Plus von nur noch acht Prozent. Am oberen Ende der Prognosebandbreite wären es immerhin zehn Prozent. Allerdings sind das nicht die Wachstumsraten, die man von Dialog Semiconductor gewohnt ist.
Der düstere Ausblick wird mit einer Wachstumsverlangsamung bei Apple in Verbindung gebracht. Entscheidend ist vor allem die Absatzentwicklung beim iPhone. Der US-Konzern setzte von Juli bis September 48 Millionen iPhones ab. Im Schnitt hatten die Marktexperten mit 48,7 Millionen gerechnet. Für das Weihnachtsquartal wurden bisher 77,8 Millionen Einheiten prognostiziert.
Nun unterstellt die Prognose von Dialog, dass das Wachstum wesentlich geringer ausfallen könnte als bisher angenommen. Es steht zu befürchten, dass Apple seine Zulieferer auf eine flache Entwicklung bei seinem Hauptprodukt eingestimmt hat. Im Vorfeld gab es bereits Spekulationen, dass Apple für das Weihnachtsquartal Komponenten für 85 bis 90 Millionen iPhones geordert habe. Die Gerüchte haben sich nun offenbar als falsch herausgestellt. Der Ausblick von Dialog Semiconductor legt ein Nullwachstum bei den verkauften Stückzahlen für das Weihnachtsquartal zugrunde. Das Wachstum von acht bis zehn Prozent (Mitte bis oberes Ende der Prognosebandbreite) von Dialog im zweiten Halbjahr dürfte zu einem Großteil auf höhere Durchschnittspreise bei den Chips zurückzuführen sein. Mit anderen Worten: Die Nachfrage nach dem iPhone könnte – zumindest vorerst – den Zenit überschritten haben. Da Apple noch für schätzungsweise 70 Prozent der Umsätze verantwortlich ist, sind das Perspektiven, die den Investoren verständlicherweise nicht schmecken.
Gleichzeitig geht die Diversifikation auf der Kundenseite nicht schnell genug. Zwar dürfte Dialog im Bereich Schnellladetechnologie bereits mit Samsung einen neuen Kunden gewonnen haben. Allerdings kann damit die Schwäche bei Apple verständlicherweise noch nicht ausgeglichen werden. Die Einführung der Produkte erfolgt erst in den kommenden Monaten. Analysten sehen darin jedoch ein Umsatzpotenzial von mehr als 40 Millionen Dollar im Jahr 2016. Das sollte bereits einen Großteil der Apple-Delle ausgleichen.
Hinzu kommen zahlreiche Entwicklungsaufträge von anderen Herstellern. So stattet Dialog Semiconductor bereits Apples größte Konkurrenten in China aus. Das erfolgt über die Kooperation mit Mediatek, der Hersteller wie Meizu, LeTV und Xiaomi ausstattet und beim Powermanagement auf Dialog-Chips zurückgreift. Bei Einzelnen läuft die Volumenproduktion langsam hoch, doch das kommt aktuell zu spät. Ein nennenswerter Volumenanlauf wird für das erste Quartal 2016 in Aussicht gestellt. Eine breitere Aufstellung bei den Kunden ist bereits auf den Weg gebracht, im Zahlenwerk allerdings noch nicht sichtbar. Das wird sich bis 2016 hinziehen.
In dieser Hinsicht ist der große Wurf ohnehin die geplante Übernahme von Atmel. Dadurch wird sich der Umsatzanteil von Apple von 80 auf etwas über 40 Prozent reduzieren. Gleichzeitig dürfte Dialog in künftigen iPhone-Generationen für die Powermanagement-Lösung höherer Preise realisieren. Gemeinsam mit Atmel könnte der TecDAX-Konzern nicht nur einen Teil-Chip stellen, sondern den kompletten Powermanagement-Kern, was zu einer positiven Überraschung bei den Durchschnittspreisen im kommenden Jahr führen könnte.
Darüber hinaus bietet die Übernahme auch Synergien, die auf 150 Millionen Dollar taxiert werden, und verschafft Dialog Semiconductor einen breiten Zugang zum attraktiven Markt für Internet- der-Dinge-Anwendungen. Auf 2,7 Milliarden Dollar Umsatz würde die kombinierte Firma kommen. Für 2018 wird dabei ein Gewinn je Aktie von fünf bis sechs Dollar anvisiert, sodass sich ein KGV von rund 7 errechnet. Dank des traditionell hohen Cashflows wird es Dialog zudem möglich sein, den Kreditanteil für die Übernahme in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar innerhalb von etwa drei Jahren zurückzuführen. Mit Blick auf die Cashflow-Rendite will man 2018 zwischen elf und 13 Prozent erreichen – Top-Werte, die selbst Skeptiker überzeugen sollten. Spannend wird es am 19. November. Dann stimmt die Aktionärsversammlung wegen der Atmel-Übernahme ab. Dialog kann dabei eigentlich nicht verlieren. Stimmen die Aktionäre für den Kauf, eröffnen sich neue, vielversprechende operative Perspektiven. Stimmen die Aktionäre dagegen, wird die riesige Kapitalerhöhung und die Kreditaufnahme hinfällig. Diese Unsicherheiten, die den Kurs belasteten, würden somit wegfallen. Die jüngsten Kursgewinne spielen dieses Szenario bereits.
Beim aktuellen Kurs wird die Aktie mit einem 2016er-KGV von 13 bewertet. Bis 2018 sinkt das Gewinnmultiple auf rund 9. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass weiterhin ein Wachstum von 15 bis 20 Prozent möglich sein wird. Gleichzeitig würde Dialog nach Abschluss der Atmel-Übernahme 4,5 bis fünf Milliarden Börsenwerte erreichen, was den Wert zu einem potenziellen DAX-Kandidaten machen würde. Gleichzeitig erhöht sich die Aufmerksamkeit bei den US-Investoren. Hinzu kommt: Wegen des Klumpenrisikos Apple wurde die Aktie gegenüber der Peergroup mit einem Discount von 20 bis 30 Prozent bewertet.