In der schwersten Krise von Volkswagen kommt am Montag erneut der Aufsichtsrat des Autokonzerns zusammen. Dabei geht es um die weitere Aufarbeitung des Abgas-Skandals. Milliardenkosten, strafrechtliche Ermittlungen, Imageverlust, und nicht zuletzt die Frage nach den Schuldigen - die Liste ist lang. Einem Bericht zufolge will VW in den USA betroffenen Autobesitzern Geld anbieten. Ein Thema dürften auch interne Erkenntnisse zu den falschen CO2-Angaben sein.
Tests frisiert
Dabei erhärtet sich der Verdacht, dass an den Autos selbst und nicht an den Prüfständen manipuliert wurde. Die "Bild am Sonntag" berichtete, VW-Techniker hätten mit unerlaubten Maßnahmen die Werte verfälscht, etwa durch einen sehr hohen Reifendruck. Daneben sei auch Diesel ins Motoröl gemischt worden, damit der Wagen leichter läuft und weniger Sprit verbraucht. Ingenieure haben demnach gegenüber der Konzernrevision angegeben, sie hätten die ehrgeizigen Ziele des inzwischen zurückgetretenen VW-Chefs Martin Winterkorn mit legalen Mitteln nicht erreichen können. Dieser hatte 2012 angekündigt, VW werde den CO2-Ausstoß bis 2015 um 30 Prozent senken.
Ein VW-Sprecher wollte den Bericht nicht kommentieren: "Bei internen Untersuchungen haben Mitarbeiter angegeben, dass es bei der Ermittlung der Verbrauchswerte Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Wie es dazu gekommen ist, ist Gegenstand der laufenden Prüfung", sagte er. Der Konzern hat Autos mit falschen CO2-Abgaswerten unter anderem von Tüv-Prüfstellen abnehmen lassen. Bei VW-Modellen übernimmt der Tüv Nord die Abgasmessungen für neue Modelle, für die Konzerntochter Skoda prüft unter anderem der Tüv Süd. Beide Unternehmen betonten, es habe keine Hinweise auf Manipulationen gegeben. Die Konzerntöchter Audi und Seat lassen Abgaswerte im Ausland messen: Audi in Luxemburg, Seat in Spanien.
Millionen Autos in die Werkstatt
Europas größter Autobauer wird seit September zudem vom Skandal um manipulierte Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen erschüttert, Millionen Autos müssen deshalb in die Werkstatt. Zudem sind Schadenersatzklagen weltweit auf dem Weg. An US-Kunden will VW einem Medienbericht zufolge nun Gutscheine verteilen. Besitzer von Diesel-Autos sollten als Wiedergutmachung bis zu 1.250 US-Dollar (rund 1150 Euro) bekommen, berichtete das Online-Portal "The Truth about cars". Bis zu 750 US-Dollar der Summe könnten in VW-Autohäusern eingelöst werden, der Rest sei frei verfügbar.
Ein VW-Sprecher in Wolfsburg sagte dazu am Sonntag: "Volkswagen of America hat seine Händler über eine geplante Aktion informiert. Details dazu werden in der kommenden Woche von VW of America kommuniziert." Laut dem Bericht soll die Aktion am Montag publik gemacht werden. Unklar blieb zunächst, ob die VW-Kunden im Gegenzug für die Geldzahlung auf ihr Klagerecht verzichten sollen.
Osterloh kritisiert
Laut "Süddeutscher Zeitung" haben US-Ermittler einem VW-Manager wegen des Dieselskandals den Pass abgenommen. So wollten sie offenbar verhindern, dass er sich einer Befragung oder strafrechtlichen Verfolgung entziehe. Ein Konzernsprecher wollte sich dazu nicht äußern. "Wir kommentieren das nicht." In dem Bericht hieß es weiter, VW-Mitarbeiter zögerten nun, in die USA zu reisen. Eine noch im November geplante USA-Reise von Konzernchef Matthias Müller sei unwahrscheinlich geworden. "Reisen von VW-Mitarbeitern in die USA fanden und finden statt", sagte der VW-Sprecher dazu.
Für zusätzliche Brisanz vor dem Treffen sorgte massive Kritik des mächtigen VW-Betriebsratschefs Bernd Osterloh am Kurs der Unternehmensspitze. "Der Vorstand verkündet Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage", hatte Osterloh am Freitag moniert. Der Betriebsrat werde bewusst außen vor gelassen. Der neue VW-Chef Müller hatte wegen der immensen Kosten des Skandals angekündigt, den Sparkurs bei VW zu verschärfen. Alles komme auf den Prüfstand. Es bleibt dabei: Die hohe Volatilität sollte die VW-Aktie noch mehrere Monate begleiten. Gut möglich, dass der Worst-Case größtenteils eingepreist ist. Dennoch bleibt die Unsicherheit: Gibt’s es noch weitere Manipulationen? Und wie hoch wird die Strafe letztendlich ausfallen? DER AKTIONÄR bevorzugt unter den Autotiteln weiterhin Daimler. Wer es etwas spekulativer mag, der setzt auf den Turnaround-Wert Peugeot.
(Mit Material von dpa-AFX)