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15.10.2015 Andreas Deutsch

Carmignac: Der Lack ist ab

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Lange war Edouard Carmignac Held der Anleger. Doch seit Jahren läuft es nicht mehr rund für den großen Franzosen.

Mon dieu, was ist bloß los mit Monsieur Carmignac? Im nächsten Jahr wird die Fondslegende 70 – es könnte ein trauriger Geburtstag werden. Seine Anleger sind enttäuscht, der Meister ist außer Form – und zwar seit Jahren. Vom Glanz der alten Zeiten keine Spur mehr. Carmignac, einst Frankreichs ganzer Investmentstolz, hat keine Chance mehr gegen den breiten Markt.

Auf Anfang: Carmignac ist 42 Jahre alt, als er im Januar 1989 die Idee hat, eine Investmentboutique zu gründen und einen Fonds, den Carmignac Investissement, aufzulegen. Der Mann hat eine Vision: Die Welt steht vor großen Umbrüchen. Staaten werden aufstreben, die Menschheit wird konsumieren, wie sie es noch nie getan hat. Die Weltwirtschaft wird wachsen, wachsen, wachsen. Und die Aktienkurse werden zulegen.

Seine Vision hat Carmignac zum Superstar der Investmentbranche gemacht. Der Carmignac Investissement und der im November 1989 aufgelegte Mischfonds Patrimoine zählen seit Jahren zu den bestverkauften Fonds weltweit. Der Investissement ist aktuell 5,3 Milliarden Euro schwer, in den Patrimoine haben die Anleger 22 Milliarden Euro eingezahlt.

So viel Vermögen unter Verwaltung bedeutet unfassbar viel Vertrauen. Jahrelang konnte Carmignac die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Seit Auflegung kommt der Patrimoine auf ein Plus von 700 Prozent und der Investissement auf 1.300 Prozent. Doch seit einiger Zeit läuft es nicht mehr rund für den großen Franzosen. Der Investissement liegt seit 2009 38 Prozentpunkte hinter dem Vergleichsindex. Der Patrimoine weist seit 2008 eine Underperformance von 18 Prozentpunkten auf.

Langfristige Megatrends? Fehlanzeige

Für die erfolgsverwöhnten Anleger ist das ein Schock. Hat Carmignac sein Marktgefühl verloren? Ist der Erfolgsdruck zu groß? Um die lange Underperformance nachzuvollziehen, muss man in die 90er-Jahre zurückgehen. Carmignac hat damals als einer der ersten Investoren erkannt, welche Megatrends die kommenden Jahre bestimmen werden: Emerging Markets und Rohstoffe.

Damit lag er völlig richtig, es bescherte ihm eine jahrelange Outperformance gegenüber dem Markt und gegenüber den meisten anderen Fonds. Als sich die Anzeichen verdichteten, dass es in den USA eine gefährliche Immobilienkrise geben würde, verkaufte Carmignac in großem Stil Finanz-Aktien – und blieb somit vom Crash überproportional verschont.

Doch seitdem haben sich die Zeiten geändert. Richtige langfristige Megatrends gibt es kaum noch. Die Vorlieben der Anleger ändern sich so schnell wie das Wetter. Gestern waren Auto-Aktien angesagt, heute ist es Biotech, morgen vielleicht Stahl. Mit diesem Sprunghaften kommen langfristig orientierte Stock-Picker wie Carmignac oder Dr. Jens Ehrhardt, der ebenfalls seit einigen Jahren schlechter ist als der Markt, überhaupt nicht gut zurecht.

Bei Carmignac stellt sich zudem noch eine andere Frage: Hatten der Franzose und sein Team von mehr als 30 Analysten und Fondsmanagern zuletzt den falschen Ansatz? „Die vergangenen Jahren waren sehr unsicher“, sagt Didier Saint-Georges, Investmentstratege bei Carmignac und rechte Hand des Meisters, im Gespräch mit dem AKTIONÄR. „Da gab es zum einen die Probleme in der Eurozone, zum anderen das schwache Wachstum der US-Wirtschaft. Unser Hauptziel war es deswegen, das Vermögen unserer Anleger zu schützen.“ Deswegen fuhren sie einige Male die Investitionsquote runter und die Cashquote hoch.

Die übertriebene Vorsicht kostete reichlich Performance, was Saint-Georges heute ärgert. Eine dauerhafte hohe Investitionsquote und Carmignac wäre für alle immer noch der Held. Schließlich sind die Aktienmärkte seit März 2009 sechs Jahre lang fast wie am Schnürchen nach oben gelaufen – von Rekordhoch zu Rekordhoch. So etwas hatte es noch nie zuvor gegeben.

Das Gerede vom Schutz des Anlegervermögens in dieser Super-Hausse wirkt da mehr als sonderbar. Was am Ende zählt, ist die Performance, die bei einem aktiv gemanagten Fonds besser sein sollte als der Index. Sonst kann man gleich einen ETF kaufen. Der ist billiger. Und im Fall Carmignac seit Jahren viel besser.

Ist Gallien verloren?

Bislang hatte Carmignacs Erfolgsstory eine Menge von Asterix’ Kampf um Gallien gegen die römische Übermacht. Auf der einen Seite Carmignac mit Firmensitz in Paris, der Stadt der Liebe, die so gar nichts von Wall Street hat. Auf der anderen Seite die großen Fondsgesellschaften in London, New York und Frankfurt mit ihren superschnellen Rechnern und bestens vernetzten Fondsmanagern und Analysten. Asterix-Carmignac machte sie alle platt.

Auf vielen Fotos wirkt Carmignac wie der Typ Elder Statesman, den diese „Im Grunde weiß ich es besser“-Attitüde umgibt. Sein Firmensitz liegt an der Place Vendôme, gleich gegenüber vom Luxushotel Ritz – vornehmer und teurer geht es nicht. Carmignacs Herz gehört der Kunst. Seine Sammlung umfasst 200 Werke von Andy Warhol über Roy Lichtenstein bis hin zu Keith Haring. Viele Bilder aus seiner Sammlung hängen in seinen Büros.

Schön für ihn, denkt sich da mancher Carmignac-Anleger beim Anblick seiner Depotauszüge. Bei Carmignac hat man Lehren aus der Misere gezogen. „Wir regieren mittlerweile schneller auf Empfehlungen innerhalb unseres Investment-Teams“, sagt Didier Saint-Georges. „Und wir beobachten die Marktdynamik und die Mittelzuflüsse genauer als früher. Außerdem haben wir unsere Strategie um quantitative Werkzeuge ergänzt.“ Genützt hat es bislang wenig: Auch kurzfristig sind beide Fonds hinter dem Index.

Halten oder verkaufen?

Anleger haben die Wahl: Entweder sie hoffen, dass Carmignac bald wieder an glorreiche Zeiten anknüpft – oder sie verkaufen die Fonds. In Anbetracht der doch recht langen Underperformance empfiehlt DER AKTIONÄR Letzteres.

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