Für Wirecard geht die Aufarbeitung des Bilanzskandals weiter. Wie heute bekannt wird, hatte Großinvestor Softbank 2019 großen Anteil an der Bilanzsonderprüfung durch die Prüfungsgesellschaft KMPG, an deren Ende der Fehlbetrag von 1,9 Milliarden Euro festgestellt wurde. Dafür kann sich der düpierte Anleger vermutlich wenig kaufen, denn viele Marktteilnehmer erwarten schon demnächst den Kurs im einstelligen Bereich. Am Mittwoch pendelt der Kurs um die 20-Euro-Marke. Update im letzten Absatz!
Die japanische Softbank Group hatte im Frühjahr des vergangenen Jahres im Rahmen einer strategischen Partnerschaft Wirecard-Wandelanleihen in Höhe von 900 Millionen Euro gekauft, um den Wachstumskurs der Aschheimer zu unterstützen. Für Ex-Vorstand Markus Braun sicherlich ein Jubeltag, konnte er das bis dahin größte Investment eines ausländischen Geldgebers in ein deutsches Fin-Tech vermelden. Beide Unternehmen priesen die Kooperation an, Wirecard sollte mit Hilfe des Softbank-Netzwerks neue Kunden gewinnen und seine Basis verbreitern.
Investor Softbank Investment Advisers hatte einem Bericht des Handelsblatt zufolge Mitte Oktober 2019 die Überprüfung der ungeklärten Bilanzpositionen verlangt. In einem Schreiben an Markus Braun forderte der Großinvestor eindringlich: „Hallo Markus, der Einfachheit halber haben wir nachfolgend die Vorgehensweise aufgeführt, die Du und der Vorstand dringend prüfen müssen. Wie im Videoanruf besprochen, glauben wir, dass diese Schritte dazu beitragen können, die Vorwürfe gegen das Unternehmen ein für alle Mal aufzulösen“.
Softbank wollte weitere Detailfragen und Prüfungsvorgänge durch ein Untersuchungsgremium geklärt wissen. Zum Prüfungsansatz zählte auch die Auflage, dass Wirecard eine der großen Prüfungsgesellschaften – aber nicht EY- beauftragen sollte. Ein Sprecher von Softbank äußerte gegenüber dem Handelsblatt: „Vorwürfe gegen das Unternehmen, die nach der Veröffentlichung der testieren Jahresbilanz 2018 weiter anhielten, sowie unser Investment haben uns dazu veranlasst, auf eine unabhängige Prüfung zu drängen“.
Die Japaner blieben nicht lange auf den Wirecard-Wandelanleihen sitzen. Über eine durch die Credit Suisse arrangierte Transaktion wurde mittels des niederländischen Vehikel Argentum Netherlands nahezu die gesamte Emission weiterverkauft. Allerdings mit schlechteren Konditionen für die neuen Erwerber: Wandlungspreis von 225 Euro und ein Kupon von 0,5 Prozent. Der Weiterverkauf ist in der Branche durchaus üblicher Vorgang, der trotzdem im krassen Widerspruch zu dem Softbank-Bekenntnis zu Wirecard steht und heute sehr viel Erklärung bedarf.
Unter den Argentum-Investoren werden einige Hedgefonds, Publikumsfonds und europäische Banken vermutet. Als Grundlage für die erfolgreiche Platzierung diente für die Kreditgeber naturgemäß der letzte Wirecard-Abschluss, also der für den Stichtag 31. Dezember 2018. Wegen der nun bekannten Fehlbeträge, nichttestierten Bilanzen werden sich also auch die Investoren der Wandelanleihen neben den ordentlichen Gläubigern und Aktionären in eine Klagewelle einreihen.
Update: Wie der zuständige Analyst der Bank of America (BofA), Adithya Metuku, am Mittwoch mitteilte, räumt das Haus der Wirecard-Aktie kaum noch Wert ein. Er geht von einem Kursrutsch auf einen Restwert von einem Euro aus. Am Mittwoch-Nachmittag liegt die Wirecard-Aktie abermals mit über 30 Prozent im Minus, bei Schwankungen um 12,50 Euro. Den weiteren, massiven Kursabschlag erwartet Metuku ob der geänderten Einschätzung: Verlust von Kunden und Lizenzen, die Streichung bestehender Kreditlinien sowie die generelle Unsicherheit über die Zukunft des Bezahldienstleisters.
Ex-Vorstand Markus Braun ist wieder auf freien Fuß, nachdem er am Montag dem Haftrichter vorgeführt wurde. Gegen ihn ist ein Verfahren wegen der möglichen Täuschung von Investoren durch „unrichtige Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse“ und Marktmanipulation anhängig. Es ist offensichtlich, momentan wirken Rückkäufe der Short-Seller stabilisierend auf den Aktienkurs. Wenn diese Phase vorbei ist, dürfte Wirecard in den einstelligen Bereich abrutschen.