In der politischen Aufarbeitung des spektakulären Bilanzskandals bei Wirecard hat der parlamentarische Untersuchungsausschuss die Arbeit aufgenommen. Die Abgeordneten wollen in den kommenden Monaten unter anderem herausfinden, ob der aufstrebende Zahlungsabwickler trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten von den Aufsichtsbehörden mit Samthandschuhen angefasst und auf höchster politischer Ebene unterstützt wurde.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, will der Wirecard-Untersuchungsausschuss eine ganze Reihe prominenter Politiker befragen. Auf der Liste stünden unter anderem Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel, hieß es nach der konstituierenden Sitzung am Donnerstag.
Die Kanzlerin soll bei einer China-Reise im September 2019 den geplanten Markteintritt von Wirecard gegenüber der chinesischen Führung thematisiert haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Zweifel an Bilanzierung und Geschäftsmodell des damaligen DAX-Konzerns. Eine der zentralen Fragen ist nun, wer wann davon wusste.
Fragen über Fragen
Der inzwischen insolvente Zahlungsabwickler hatte im Sommer Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Nach bisherigem Stand der Ermittlungen machte Wirecard zu diesem Zeitpunkt aber bereits jahrelang Verluste. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne auswies. Mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein.
Die Finanzaufsicht BaFin und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY stehen in der Causa Wirecard ebenfalls in der Kritik – der mutmaßliche Milliardenbetrug war ihnen offenbar jahrelang nicht aufgefallen. Daher dürfte auch die Qualität ihrer Arbeit im Untersuchungsausschuss in den Fokus rücken.
Neben den zahlreichen Spitzenpolitikern sollen im Ausschuss laut einem ZDF-Bericht zunächst Sachverständige zu Wort kommen. Später sollen unter anderem auch Dan McCrum von der Financial Times angehört werden, der mit seinen kritischen Berichten über den Zahlungsabwickler den Stein ins Rollen brachte. Der inzwischen inhaftierte Ex-Wirecard-Chef Markus Braun soll ebenfalls vorgeladen werden.
Eine möglichst lückenlose Aufklärung des Wirecard-Skandals ist speziell vor dem Hintergrund etwaiger Schadenersatzklagen gegen das Unternehmen, die Wirtschaftsprüfer oder die Aufsichtsbehörden relevant. Auf den Kurs der Wirecard-Aktie dürfte das aber keine allzu großen Auswirkungen mehr haben. Das Papier ist höchstens noch für Zocker interessant.