Wirecard kommt nicht aus den Schlagzeilen: Wieder geht es um die Bilanzen des DAX-Konzerns, doch diesmal ist es nicht die Financial Times (FT), sondern die Süddeutsche Zeitung (SZ). Bei den Anlegern stellt sich inzwischen jedoch eine gewisse Routine ein: Sie reagieren am Donnerstagvormittag gelassen.
Konkret geht es in dem SZ-Artikel um die Geschäftsbeziehungen zur Banc de Binary, einem israelischen Online-Anbieter für binäre Optionen mit Sitz auf Zypern. Der hatte nach dem Verbot solcher Finanzprodukte Anfang 2017 seine Lizenz abgegeben und anschließend den Betrieb eingestellt.
In den Büchern von Wirecard habe Banc de Binary jedoch weiterexistiert – und im Rest des Jahres noch mit Transaktionen im Millionenbereich Umsätze für den Zahlungsabwickler generiert. Es würde zur angeblichen Bilanzmanipulation etwa durch Scheinumsätze passen, die die FT dem Zahlungsabwickler seit Jahresbeginn implizit vorwirft.
Was taugen die belastenden Dokumente?
Das Problem: Die Erkenntnisse der SZ beruhen ebenfalls auf den internen Dokumenten aus der Buchhaltung von Wirecard, welche die Financial Times in ihrem letzten kritischen Artikel bereits teilweise durchleuchtet und als Rohdaten veröffentlicht hatte (DER AKTIONÄR berichtete). Laut Wirecard sind die allerdings „nicht authentisch“ – also zumindest „teilweise verändert oder gar manipuliert worden“, schreibt die SZ in dem Artikel.
Somit ist der Erkenntnisgewinn auch im Fall der Banc de Binary gering, lediglich die Liste der offenen Fragen wird immer länger. Aufklärung bringen hoffentlich die laufenden Ermittlungen der Behörden in Singapur und die Bilanz-Sonderprüfung durch KPMG. Ergebnisse sollen Ende des ersten Quartals 2020 vorliegen.
Die Wirecard-Aktie verlor am Donnerstagmorgen im vorbörslichen Handel bei Tradegate bis zu zwei Prozent, konnte den Verlust im Laufe des Vormittags aber ausgleichen. Kein Vergleich also zu den enormen Verlusten nach den Berichten der FT zu Jahresanfang und Mitte Oktober.
Wer heute noch – oder wieder – bei Wirecard investiert ist, weiß inzwischen um die Risiken und die hohe Volatilität, sollte sich von erneuten Schlagzeilen also nicht beeindrucken lassen. Sie zeigen aber: Die Wette auf ein Comeback ist nichts für schwache Nerven.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.