Der Bilanz-Skandal bei Wirecard ist längst auch zum Politikum geworden. Am Montag und Dienstag beschäftigt sich erneut der Finanzausschuss des Bundestags mit dem Thema. Dabei geht es unter anderem um die Fragen, wie der mutmaßliche Betrug so lange unerkannt bleiben konnte und ab wann die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wusste.
Bei einer nicht öffentlichen Sondersitzung ab 12.00 Uhr wird neben Vertretern des Kanzleramts und des bayerischen Innenministeriums auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erwartet. Sie soll unter anderem zur geplanten Reform der Wirtschaftsprüfung und des Bilanzstrafrechts als Folge des Skandals befragt werden sowie zu möglichen Kontakten des Ministeriums zur Prüfgesellschaft EY. Die Wirtschaftsprüfer stehen in der Kritik, weil das Unternehmen die Jahresbilanzen bei Wirecard seit 2009 geprüft und testiert hatte – und dabei offenbar keine Auffälligkeiten entdeckten.
Am Dienstag wird in einer weiteren Sitzung des Finanzausschusses unter anderem der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Felix Hufeld, erwartet. Gegen die BaFin – die unter der Aufsicht von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) steht – gibt es Vorwürfe, sie habe bei Wirecard nicht genügend unternommen.
Merkel äußerte sich bei Pressekonferenz
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel steht in der Kritik, weil sie im September 2019 im Rahmen ihrer China-Reise für den geplanten Markteintritt des Konzerns in der Volksrepublik geworben hatte. Die Kanzlerin wird voraussichtlich nicht an der Sitzung teilnehmen, hatte sich aber in der Vorwoche zur Angelegenheit geäußert: „Es ist Usus, nicht nur in Deutschland, dass man bei Auslandsreisen natürlich die Anliegen von Unternehmen auch anspricht.“
Damals seien die Unregelmäßigkeiten bei Wirecard noch nicht bekannt gewesen, sagte Merkel, die aber auch betonte: „Das, was da passiert ist, muss natürlich aufgeklärt werden, das ist klar.“
Kommt der Untersuchungsausschuss?
An dieser Darstellung gibt es allerdings Zweifel, schließlich berichtete die Financial Times (FT) bereits seit Anfang 2019 über Ungereimtheiten in der Bilanz des Zahlungsabwicklers. Zentrale Fragen bei der politischen Aufarbeitung sind also, wann genau die Bundesregierung von Unregelmäßigkeiten wusste und ob sie zu wenig dagegen unternommen hat. Bei einer Sondersitzung des Finanzausschusses Ende Juli hatte Finanzminister Scholz Vorwürfe gegen die BaFin zurückgewiesen.
Oppositionspolitiker werfen der Bundesregierung eine mangelnde Aufarbeitung des Skandals vor. FDP und Linke fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, die Grünen wollen die Sitzungen des Finanzausschusses abwarten.
Für die Wirecard-Aktie dürfte die Bemühung um politische Aufklärung nur noch eine Randnotiz sein. Der Pennystock ist höchstens noch für Zocker interessant und wird im Zuge der Insolvenz mittelfristig von der Börse verschwinden.
Mit Material von dpa-AFX.