Im Bilanzskandal bei Wirecard gibt es kurz vor dem Wochenende einen weiteren Aufreger: Laut Medienberichten könnten noch bis Juni 2020 – also kurz vor dem Kollaps des Zahlungsabwicklers – Hunderte Millionen Euro abgeflossen sein. Die Dummen wären einmal mehr die Gläubiger und Aktionäre des Zahlungsabwicklers.
Die deutschen Ermittler in der Causa Wirecard vermuten, dass der Konzern unmittelbar vor der Pleite noch Hunderte Millionen Euro an zwielichtige Partner transferiert hat. Zu diesem Zeitpunkt war Wirecard längst öffentlich mit den Bilanzvorwürfen konfrontiert.
Wie die Financial Times am Freitag unter Berufung auf Insider und interne Dokumente des Zahlungsabwicklers berichtet, seien die Gelder womöglich in Form von unbesicherten Krediten an vermeintliche Partnerunternehmen in Dubai, Singapur und auf den Philippinen abgeflossen. Dabei handle es sich teilweise auch um Unternehmen früherer Wirecard-Mitarbeiter sowie Firmen, die zwischenzeitlich ebenfalls pleitegegangen sind.
Wurden 870 Millionen Euro beiseitegeschafft?
Im März 2020 – also wenige Monate vor der Insolvenz von Wirecard – habe der Zahlungsabwickler insgesamt 870 Millionen Euro an Geschäftspartner in Asien verliehen, wobei sich die Mittelabflüsse aus dem Mutterkonzern im ersten Halbjahr 2020 noch einmal beschleunigt hätten. Damals lief bereits die eigens in Auftrag gegebene Bilanz-Sonderprüfung durch KMPG.
Die fraglichen Transaktionen seien nun Gegenstand der Ermittlungen gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun und drei weitere Manager, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen wird unter anderem „gewerbsmäßiger Bandenbetrug“ zur Last gelegt.
Als Wirecard Insolvenz anmeldete, habe das Unternehmen angegeben, dass die Konten leer seien. Laut der Süddeutschen Zeitung stehe der Verdacht im Raum, dass die Hausbanken von Wirecard systematisch geplündert wurden – darunter auch die Commerzbank. Das Institut war Teil eines Banken-Konsortiums, das dem DAX-Konzern vor zwei Jahren insgesamt 1,8 Milliarden Euro geliehen hatte – und muss deshalb nun wahrscheinlich bis zu 200 Millionen Euro abschreiben (DER AKTIONÄR berichtete).