Die Wirecard-Aktie ist Montag zu Handelsbeginn in der Spitze um über vier Prozent eingeknickt, konnte einen Teil der Verluste aber bereits wieder aufholen. Hintergrund ist wieder einmal ein Bericht der Financial Times (FT).
Darin muss sich der Zahlungsabwickler kritische Fragen zur Berechnung seiner Cash-Reserven gefallen lassen. Die Zeitung äußert den Verdacht, dass auch Kapital auf Treuhandkonten („trust accounts“) bei Partnerunternehmen in die Berechnung der Kapitalreserven eingeflossen sein könnten.
Interne Dokumente und Korrespondenzen, die der FT vorliegen, deuteten darauf hin, dass zumindest nach Rechtfertigungen für ein solches Vorgehen gesucht wurden. Edo Kurniawan, der frühere Chef für internationale Rechnungslegung und inzwischen Hauptverdächtiger bei den Ermittlungen in Singapur, habe Vize-Finanzchef Stephan von Erffa entsprechende Argumente geliefert.
Bei dem Kapital auf den Treuhandkonten könnte es sich laut dem Bericht um Gelder handeln, das Händlern gehört, aber für eine gewisse Zeit zurückgehalten wird – etwa um Rückerstattungen und Gebühren an Kreditkartenaussteller zu begleichen.
Sonderprüfung soll Klarheit schaffen
Die Financial Times sieht sich dadurch in ihren Zweifeln an der Richtigkeit der Finanzberichterstattung Wirecards bestätigt. Laut Wirecard dienten die Treuhandkonten jedoch lediglich dazu, die eigenen Barbestände vom operativen Cash der Partner-Abwickler zu trennen. Die Cash-Reserven des Konzerns seien darüber hinaus Gegenstand der laufenden Bilanz-Sonderprüfung.
Bereits in der Vergangenheit hatte Wirecard das belastende Material, das der Financial Times vorliegt, als „nicht authentisch“ bezeichnet. Die laufende Sonderprüfung soll alle Zweifel ausräumen, Ergebnisse sollen Ende des ersten Quartals 2020 vorliegen.
FT schockt nicht mehr
In einer ersten Reaktion hat die Wirecard-Aktie am Morgen über vier Prozent verloren, konnte das Minus jedoch zügig auf rund zwei Prozent begrenzen. Damit notiert sie zwar immer noch am DAX-Ende, verglichen mit den Verlusten nach früheren FT-Artikeln reagieren die Anleger jedoch geradezu gelassen. Viele haben offenbar bereits mit weiteren Angriffen gerechnet. Die Comeback-Wette sollten aber dennoch nur Mutige eingehen.
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