Die US-Wirtschaft läuft auf Hochtouren und droht zu überhitzen. Darauf deutet auch der immer schnellere Preisauftrieb hin. Im Mai stieg die Inflationsrate auf rund fünf Prozent und lag damit so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Eigentlich müsste die Fed nun die Leitzinsen anheben. Doch die Notenbank hält sich alle Optionen offen. Bankaktien crashten daher gestern. Anleger sind verunsichert und suchen nach Antworten. Auch die Wells-Fargo-Papiere kamen deutlich unter die Räder.
Wells Fargo performte besser als die Peers unter den Großbanken im laufenden Jahr. Doch wie kein anderer Player hängt man vom Zinsniveau ab. Zudem läuft gerade eine tiefgreifende Sanierung und die Fed hat aufgrund eines zurückliegenden Skandals das Bilanzwachstum begrenzt. Die Aktie gehörte daher gestern zu den größten Verlierern in der Branche. Denn die Märkte gehen nun davon aus, dass die Fed die Inflation überschießen lässt. Das asymmetrische Ziel von zwei Prozent bei der Preisstabilität erlaubt es, niedrige Teuerungsraten wie in den letzten Jahren mit aktuell höheren auszugleichen. Ewig kann die Zentralbank der Inflation trotzdem nicht hinterherschauen.
Alles ist möglich
Für Enttäuschung hatte bei den Anlegern in Bezug auf Banktitel die Einschätzung der Mehrheit der Fed Zentralbanker gesorgt, dass erst 2023 zwei Zinsschritte denkbar sind. Davon gehen 13 der 17 Mitglieder des Offenmarktausschusses aus. Sieben von ihnen halten es allerdings auch für möglich, dass bereits kommendes Jahr eine Zinserhöhung kommt. Experten rechnen indes sogar zunehmend bereits Ende des Jahres mit steigenden Leitzinsen, falls die Inflation hoch bleibt.
Wells Fargo verdient trotzdem mehr
Zinsen, die Banken für ihre Kredite bezahlen, sind nicht nur von der Benchmark der Notenbank abhängig, sondern auch von der Inflation. Bleibt diese hoch, werden die Zinsen für Kredite trotzdem steigen, auch wenn die Fed die Füße stillhält. Wells Fargo ist als einer der größten Kreditgeber des Landes bestens positioniert, um davon zu profitieren. Die von der Fed auferlegte Bilanzwachstum-Sperre könnte auch in der zweiten Jahreshälfte fallen. Bisher hat sie wohl noch keinen allzu großen Dämpfeffekt auf das operative Geschäft entfaltet. Doch die Kreditvergabe sollte weiter ansteigen in den kommenden Quartalen.
Wells Fargo ist mit einem 21er-KGV von 11 noch immer leicht unterbewertet (Peers: 12). Dasselbe gilt, wenn man das Kurs-Buchwert-Verhältnis zur Bewertung heranzieht. Im Vergleich zum Branchenschnitt von 1,4 ist die Großbank mit annährend 1,0 allenfalls fair bewertet. Nachdem die GD50 um 45,00 Dollar nun nach unten gerissen wurde, warten Anleger weiter ab, ob dieses Chartsignal Bestand hat. Wer investiert ist, bleibt ohnehin an Bord. Alle anderen setzen die Aktie auf die Watchlist.