Während viele Unternehmen unter der Corona-Krise ächzen und im ersten Halbjahr in Verlusten versanken, eilt der Batterie-Hersteller Varta von einem Erfolg zum Nächsten. Mit einer beeindruckenden Leichtigkeit erzielte der Batterie-Hersteller in den ersten sechs Monaten ein Umsatzplus von 158 Prozent auf 390 Millionen Euro. Das bereinigte EBITDA kletterte um 174 Prozent auf 102 Millionen Euro, die Marge lag bei stolzen 26 Prozent.
Damit nicht genug. Vorstand Herbert Schein sorgte für das Tüpfelchen auf dem i und schraubte die Prognose für das Gesamtjahr nach oben. Es scheint, als habe Varta gewissermaßen ein Luxusproblem. Apple, Samsung & Co brauchen für ihre Wearables wie Fitnessarmbänder, Uhren und Smartphone-Kopfhörer weitaus mehr Batterien (CoinPower) von Varta als derzeit verfügbar sind.
DER AKTIONÄR sprach mit Varta-Vorstand Herbert Schein über den aktuellen Stand.
DER AKTIONÄR: Herr Schein, viele Unternehmen ächzen unter der Corona-Krise, Varta dagegen steigert Umsatz und Gewinn – woher kommt die Power?
Herbert Schein: Was Corona angeht: Wir haben die Krise einfach sehr gut gemanagt. Wir haben uns strikt an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten und es somit geschafft, dass wir bisher nur drei Fälle im Unternehmen hatten und die blieben isoliert. Das ist aber natürlich auch ein Verdienst der Mitarbeiter, die sich sehr diszipliniert verhalten haben, wofür ich wirklich sehr dankbar bin. Wir konnten die gesamte Zeit hindurch 24 Stunden, sieben Tage die Woche im Dreischichtbetrieb produzieren. Wir können also sagen, dass wir heute keine Auswirkungen von Corona sehen und wir glauben fest daran, dass wir unser Hygienekonzept auch noch lange durchhalten können – was aber nicht heißt, dass wir nicht die Entwicklung der Pandemie genau beobachten. Gerade gegen Ende der Sommerferien wird es darauf ankommen, noch besser aufeinander aufzupassen. Aber das gilt ja nicht nur für die VARTA, sondern für uns alle. Was unser gutes Ergebnis angeht: Wir haben die Prognose für das Geschäftsjahr nach oben korrigiert, weil wir weiterhin in allen unseren Segmenten sehr gute Entwicklungen im vergangenen halben Jahr hatten – vor allem im Bereich unserer CoinPower-Zellen. Der Markt wächst und die Nachfrage nach unseren Produkten ist ungebremst hoch, weil wir das liefern, was die Hersteller wollen: Innovative, leistungsstarke Batterien. Das gilt vor allem für die Hersteller von Premium Headsets.
Q: Zuletzt hatten Sie hohen Besuch, auf Peter Altmaier folgte Markus Söder – wie und wo kann die Politik Unterstützung liefern?
Herbert Schein: Nun, die Politik hat sehr hohe Fördermittel zur Verfügung gestellt. Das hilft uns, bereits geplante Innovationen schneller umzusetzen und unsere Produkte noch schneller als geplant weiterzuentwickeln. Und natürlich ist es ein wichtiges Zeichen, dass die Politik erkannt hat, dass die Batterietechnologie eine strategische Schlüsseltechnologie für die Zukunft ist. Das freut mich besonders auch deswegen, weil wir mit der VARTA beweisen, dass innovative, leistungsstarke Batterien eben auch in Deutschland, genauer gesagt in Ellwangen und Nördlingen, entwickelt und produziert werden können. Das hat die Politik erkannt. Ich halte das für ein wichtiges Signal, auch für Europa.
Q: Rund 300 Millionen bekommt Varta vom Bund sowie Bayern und Baden-Württemberg. Ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein?
Herbert Schein: Nein, das ist eine Menge Geld! Sie dürfen ja nicht vergessen, dass wir selbst massiv in Forschung und Entwicklung investieren. Wir sind sehr dankbar für die Fördergelder, das Vertrauen und den Glauben an uns und unsere Innovationskraft, die hinter einer so hohen Summe stecken. Für die Fördermittel kommt ja schließlich der Steuerzahler auf. Wir werden mit dem Geld gut umgehen. Nicht nur, weil wir damit schneller neue Technologie entwickeln und produzieren können, die Europa im weltweiten Wettbewerb einen Vorsprung verschaffen oder einen bestehenden Vorsprung ausbauen wird. Sondern weil wir auf unsere Produkte Ertragssteuern zahlen. Wir haben schon mehrfach bewiesen, dass über diese Steuern ein Vielfaches der Fördermittel an den Staat zurückgeht.
Q: Was wird mit den 300 Millionen Euro passieren?
Herbert Schein: Zum einen investieren wir in die Entwicklung der nächsten Generation unserer Lithium-Ionen-Zellen in Nördlingen. Wir werden bei diesen Batterien die Energiedichte in den kommenden Jahren um 50 Prozent steigern. Zudem übertragen wir unsere weltweit führende Lithium-Ionen-Technologie in größere Batterieformate, etwa für Roboter oder unsere VARTA Energiespeicher. Das kommt dann auch wieder unseren CoinPower-Zellen zugute. Wir werden Anfang kommenden Jahres für die größeren Zellen eine Pilotlinie in Ellwangen installieren.
Q: Wearables sind extrem angesagt. Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie in den nächsten Jahren?
Herbert Schein: Der Boom in diesem Markt ist ungebrochen. Schauen wir uns doch mal die neue Generation der kabellosen In-Ear-Kopfhörer an: Nimmt man die Verkaufszahlen von Headsets und Smartphones und nimmt man zudem an, dass das Verhältnis von Headsets zu Smartphones 50 Prozent beträgt, kommt man bei zwei Batterien pro Headset auf ein jährliches Marktvolumen von 1,4 Milliarden Batterien in den kommenden fünf Jahren. Für das laufende Jahr gehen wir von einem Gesamtmarkt für CoinPower-Zellen von 200 Millionen aus.
Q: Sie wollen die Energiedichte der Batterien um 50 Prozent verbessern – wie ist so etwas machbar?
Herbert Schein: Wir investieren massiv in die Forschung und Entwicklung. Die höhere Dichte erreichen wir zum einen durch die besser Ausnutzung des Innenvolumens der Batteriezelle durch neue, präzise Produktionsanlagen und - jetzt wird es etwas technischer - mit einer Elektrochemie mit höherer Energiedichte. Auf der Anodenseite wird Silizium eingesetzt, auf der Kathodenseite nickelreiche Materialien. Wir haben die Vorteile, tiefe Kenntnisse der Elektrochemie zu haben und gleichzeitig die Kompetenz in der Fertigungstechnologie. Das macht übrigens das aus, was wir als DNA der VARTA bezeichnen.
Q: Wann werden sie die angestrebten 50 Prozent erreichen?
A: Wir streben diese Erhöhung in den kommenden vier bis fünf Jahren an. Derzeit sind wir bereits bei einem Plus von 15 Prozent und werden dieses Jahr noch die angekündigten 30 Prozent Erhöhung erreichen.
Q: Um die Kapazitäten zu steigern, wurde 2019 der Beschluss gefasst, eine neue Produktionshalle zu bauen – 2021 kommen die Maschinen, was wird produziert?
Herbert Schein: Die zukünftige Produktion in Nördlingen umfasst eine neue und innovative Technik, die uns schneller und effizienter machen wird. Wir produzieren durch den Neubau, der insgesamt 15.000 Quadratmeter Produktionsfläche auf zwei Stockwerken umfasst, Ende 2012 auf insgesamt 60.000 Quadratmetern die nächste Generation unserer CoinPower Zellen. Bis Ende kommenden Jahres wollen wir eine Produktionskapazität von 300 Millionen Stück erreichen.
Q: Kleinere Zellen werden in Smartphone-Zubehör, Medizin und in intelligenten Autoschlüsseln verbaut - sind das die Wachstumsmärkte von Morgen?
Herbert Schein: CoinPower ist mittlerweile das Produkt mit den höchsten Umsätzen bei VARTA. Das haben wir eben erst mit unseren Halbjahreszahlen verkündet. Wir verzeichnen in unserem Segment „Microbatteries and Solutions“ im ersten Halbjahr einen Umsatz von 239,7 Millionen Euro, ein Plus von 70 Prozent! Den Großteil davon hat CoinPower gebracht. Aber wie ich schon gesagt habe, wollen wir unsere weltweit führende Lithium-Ionen-Technologie auf größere Formate übertragen. Eine Anwendung für diese Zellen wäre der Einsatz in unseren Energiespeichern. Damit könnten Besitzer von Solaranlagen ihren Strom selbst speichern. Gerade mit dem anstehenden Ende der Einspeisevergütung ist das wirklich eine attraktive Sache für viele – und wir leisten damit zudem einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende! Wir sehen hier sehr gute Wachstumschancen für VARTA.
Q: Die Batterie wird mittlerweile als eine Art Schlüsseltechnologie eingestuft. Zuletzt haben Sie gesagt, dass Batterien für Elektroautos für Varta ein Thema sind. Wie ist der Stand der Dinge?
Herbert Schein: Ich habe gesagt – und das ist in der Branche Konsens - dass es heute limitierende Faktoren bei Batterien für die nächste Generation der Elektromobilität gibt. Es braucht schnellere Ladezeiten, höhere Energiedichten und eine längere Lebensdauer. Wir arbeiten an Batterien, die solche Eigenschaften haben und die in der Zukunft für eine Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz kommen könnten. Aber sowohl das mit der Zukunft als auch der Konjunktiv ist bewusst gewählt. Ich habe nämlich an anderer Stelle gesagt: Eine verbindliche Aussage darüber zu treffen, wann wir in das Geschäft mit der Elektromobilität einsteigen, wäre nicht seriös. Dabei bleibe ich. Es geht uns primär darum, die Technik erst einmal auf ein neues Level zu heben, um neue Anwendungen möglich zu machen.
Q: Ein solche Vorhaben würde Milliarden verschlingen- wie würde Varta so etwas finanzieren?
Herbert Schein: Diese Frage stellt sich uns nicht. Wie ich gerade gesagt habe: Wir wollen unsere Technologie auf die nächste Stufe heben. Das hat Priorität. Wir arbeiten heute hoch profitabel. Das müssen wir auch. Wir sind das den Anlegern genauso schuldig wie unseren Angestellten. Wir haben deswegen so großen Erfolg, weil wir hoch profitabel arbeiten. Ich habe nicht vor, diesen Kurs zu verlassen.
Q: Geschwindigkeit ist in ihrem Geschäft wichtig. Hinkt Europa, Deutschland nicht schon zu weit hinterher, sprich haben CATL, Samsung SDI nicht Jahre Vorsprung?
A: Die Sache mit dem technischen Vorsprung stimmt ja so nicht ganz. Es kommt auf die jeweiligen Marktsegmente an. Sehen Sie: Wir liefern den größten Teil unserer Lithium-Ionen-Batterien nach Asien, weil unsere technisch überlegenen Lithium-Ionen-Zellen dort gebraucht werden. Wir haben heute im Bereich True Wireless Stereo Headphones einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Und wir werden mit der erhöhten Energiedichte der CoinPower-Zellen unseren technologischen Fortschritt sogar noch ausbauen!
Q: Wäre es denn überhaupt möglich - diesen Innovationsvorsprung aufzuholen?
Herbert Schein: Warum sollte es nicht möglich sein? Wir müssen schneller sein, besser und innovativer, als die Konkurrenz. Die VARTA hat das bei CoinPower ja schon bewiesen.
Herr Schein, vielen Dank für das Interview und alles Gute!
Fazit: Die Marktstellung von Varta ist beeindruckend. Die Aktie sollte bald auf ein neues Allzeithoch klettern.