Nach dem jüngsten Artikel zum Betrugsfall Luckin Coffee schrieb ein Leser dem AKTIONÄR, es habe sehr wohl fundamentale Änderungen gegeben. Luckin habe vergangene Woche Quartalszahlen veröffentlicht. Es habe eine enorme Umsatzsteigerung und eine Verlustreduzierung gegenüber dem Vorjahr gegeben. Das Problem: Der Leser ist wohl ein Opfer von Fake News geworden. Update: Die falschen Daten wurden offenbar automatisiert veröffentlicht (siehe dritter Absatz).
Weder vom Unternehmen selbst noch auf Bloomberg oder seitens anderer führender Primär- und Sekundärquellen gibt es eine Meldung zu neuen Luckin-Coffee-Zahlen. Lediglich die deutsche Finanzseite finanzen.net meldete am Freitag: „Luckin Coffee hat am 03.06.2020 bei der vierteljährlichen Finanzkonferenz die Zahlen zum jüngsten Quartal vermeldet.“ Im Text folgen Zahlen, die sich nach gründlicher Recherche nicht mal ansatzweise verifizieren lassen.
Anders als im Text behauptet, gab es dieser Tage bei Luckin offenbar keine „vierteljährliche Finanzkonferenz“ und keine Zahlen. Finanzen.net teilte auf AKTIONÄR-Anfrage inzwischen mit, dass die fraglichen Daten automatisiert vom Anbieter factset.com auf die Seite übertragen worden seien. Der Artikel ist weiterhin online.
Die Meldung von finanzen.net wurde von anderen deutschen Webseiten und in Foren unkritisch übernommen. Unter anderem griff die deutsche Ausgabe der US-Seite Motley Fool einmal mehr einen AKTIONÄR-Artikel zu einer chinesischen Aktie auf und kopierte diesen. Der Fool-Autor reicherte seinen Luckin-Artikel allerdings zudem mit den falschen Zahlen aus der Fake-Meldung von finanzen.net an. (Update: Nach Erscheinen dieses Artikels wurde zumindest nachträglich ein Quellenhinweis eingefügt, verbunden mit dem dezenten Hinweis, dass die Zahlen womöglich doch nicht so ganz offiziell sind ...)
Anleger sind gut beraten, nicht alles zu glauben, was irgendwo im Internet steht. DER AKTIONÄR ist das Leitmedium für Aktienkultur in Deutschland. Nicht nur im Heft, auch für die Webseite arbeiten täglich mehrere Finanzredakteure persönlich an Texten. Grundlage für Einschätzungen zum Börsengeschehen sind erstklassige, internationale Quellen und jahrzehntelange Börsenerfahrung. Luckin Coffee arbeitet gerade einen Betrug im dreistelligen Millionen-Dollar-Umfang auf. Ja, die Aktie ist zuletzt deutlich gestiegen. Nein, es gibt keine aktuellen Zahlen. Es ist für Außenstehende nicht mal ansatzweise klar, ob und wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Eine seriöse Einschätzung ist schlichtweg nicht möglich. Die Aktie ist derzeit ein reiner Spielball für Spekulanten und daher kein Kauf. Wer zocken will, sollte sich zumindest der Risiken bewusst sein und wissen, wie das Spiel gespielt wird – oder einfach die Finger von Luckin Coffee lassen.
Unabhängig von Luckin Coffee hat DER AKTIONÄR in den vergangenen Wochen mehrere Anfragen erhalten, womit Anleger rechnen müssen, falls der Handel mit China-Anteilen an den US-Börsen verboten werden sollte. Im nächsten Heft wird das Thema ausführlich beleuchtet (ab Mittwoch als E-Paper erhältlich, ab Freitag am Kiosk).