Wer bei knapp über 2 Dollar Anteile an Luckin Coffee gekauft hat und diese am Freitag am Hoch bei mehr als 6,50 Dollar pro Stück zu Geld gemacht hat, konnte in wenigen Tagen mehr als 200 Prozent Gewinn einfahren. Börsenneulinge reiben sich verwundert die Augen und fragen: Wie geht das denn? Ein paar Erklärungsansätze.
Nach dem Bilanzbetrug ist die Aktie von Luckin Coffee tief gefallen. Dass irgendwann eine Gegenbewegung nach den krassen Verlusten einsetzt, ist normal. Wann diese kommt und wie stark sie ausfällt, kann niemand vorhersagen. Wie nachhaltig diese ist, lässt sich ebenfalls kaum abschätzen. Gier und die Angst, etwas zu verpassen, spielen in solchen Situationen stets eine Rolle. Sicher ist da lediglich, dass mit deutlich erhöhter Volatilität zu rechnen ist.
Ein gefallener Hoffnungsträger wie Luckin zieht naturgemäß Zocker an. Kurzfristige Long-Spekulationen können zu einem Momentum führen, das durch Leerverkäufer, die ihre Positionen schließen müssen, noch verstärkt wird. Schließlich kann ein Spekulant auf der Long-Seite mit Aktien maximal seinen Einsatz verlieren. Der Verlust bei Leerverkäufen ist hingegen potenziell unbegrenzt.
Einige Anleger dürften auch darauf spekulieren, dass das Ausmaß des Betrugs womöglich nicht ganz den Kursverlust rechtfertigt. Auch Übernahme-Spekulationen kommen naturgemäß auf. Seriöse Prognosen diesbezüglich lassen sich derzeit nicht treffen.
Dazu kommt zumindest bei privaten Anlegern die oft beobachtete Neigung, Verluste nicht zu realisieren, sondern nach einem Crash den Einstandskurs durch Nachkäufe zu senken.
Doch kein Rauswurf?
Ein Leser fragte den AKTIONÄR angesichts der Kursanstiege der vergangenen Tage, ob Luckin nun womöglich doch nicht von der Börse fliegt. Antwort: Ein Delisting wird Luckin Coffee höchstwahrscheinlich nicht vermeiden können. Die Unternehmensstruktur hat offenbar massiven Betrug auf höchster Ebene nicht verhindern können. Dazu kommt das politisch angespannte Klima zwischen den USA und China. Die chinesische Kaffeehaus-Kette wird also aller Voraussicht nach vom Handel an der Nasdaq ausgeschlossen werden. Das kann aber noch einige Monate dauern und heißt nicht zwangsläufig, dass die Aktie anschließend gar nicht mehr gehandelt werden kann. Die Delisting-Frage dürfte bei den Kurskapriolen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Seriöse Investmenthäuser werden ihre Anteile größtenteils ohnehin längst auf den Markt geschmissen haben.
Der Kursanstieg bei Luckin ist losgelöst von einem möglichen Delisting zu betrachten. Fundamentale Neuigkeiten gibt es nicht. Die Aktie ist nach dem Betrug zu einem Spielball für Zocker geworden und daher kein Kauf.
Unabhängig von Luckin Coffee hat DER AKTIONÄR in den vergangenen Wochen mehrere Anfragen erhalten, womit Anleger rechnen müssen, falls der Handel mit China-Anteilen an den US-Börsen verboten werden sollte. Im nächsten Heft wird das Thema ausführlich beleuchtet (ab Mittwoch als E-Paper erhältlich, ab Freitag am Kiosk).