ThyssenKrupp steht das Wasser weiter bis zum Hals. Die Corona-Pandemie hat die seit Jahren andauernde Krise noch verschärft. Die Stahlsparte entpuppte sich in der gegenwärtigen Lage immer mehr als Mühlstein. Es bleibt die Frage, ob das Geschäft verkauft wird oder ob die Essener an ihren Wurzeln festhalten. Ein Überblick.
Die Corona-Pandemie traf ThyssenKrupp zur Unzeit. Denn eigentlich hatte sich Chefin Martina Merz vorgenommen, den schlingernden Konzern radikal umzubauen und so wieder auf Kurs zu bringen. Die Konzentration sollte künftig weitgehend auf dem Werkstoffhandel und den Industriekomponenten liegen. Alles andere wurde zur Disposition gestellt. Das Management will sich dabei möglichst viele Optionen offen halten.
Mit den 17 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Aufzugsparte sollte der Umbau finanziert und außerdem die hohen Schulden gesenkt werden. Doch nun läuft ThyssenKrupp die Zeit davon. Auch wegen der Coronakrise machte der Konzern im vergangenen Jahr im fortgeführten Geschäft einen Milliardenverlust.
Im Fokus steht dabei die traditionelle Stahlsparte. ThyssenKrupp prüft derzeit alle Optionen für das von der Pandemie besonders betroffene Geschäft. Möglich sind Partnerschaften, ein Teil- oder Komplettverkauf. Die Sparte kämpfte mit der hohen Abhängigkeit von der schwächelnden Automobilindustrie, die gesamte Branche steht unter Preisdruck und ächzte unter zu hohen Kapazitäten. Zuletzt berichteten die ersten Stahlhersteller und -händler von ersten Erholungstendenzen sowie einer Entspannung bei den Preisen, wovon ThyssenKrupp bislang jedoch noch nicht profitieren konnte.
Zugleich muss viel Geld in eine klimaschonende Produktion gesteckt werden. Der derzeitige Hype um Wasserstoff als Energieträger für die Herstellung von „grünem Stahl“ könnte jedoch auch ein Versprechen für die weitere Zukunft des Konzerns bergen.
Offerte liegt auf dem Tisch
Mit dem britischen Konkurrenten Liberty Steel hatte sich zuletzt ein Interessent gemeldet, der das Stahlgeschäft übernehmen will. Ob es dazu kommt, ist jedoch unklar. Die Gewerkschaft IG Metall sprach sich schon dagegen aus. ThyssenKrupp hat eine Prüfung angekündigt und gewährt den Briten nun einen Einblick in die Bücher. Im März soll dann eine Entscheidung über die Zukunft der Sparte fallen.
Sollte das Stahlgeschäft nicht verkauft werden, braucht es für eine Sanierung im Alleingang trotzt aller Sparanstrengungen finanzielle Hilfe. Das räumte Konzernchefin Merz bereits ein. Mit der Bundesregierung sei man in Gesprächen über Geld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Der IG Metall reicht das nicht, sie fordert einen Einstieg des Staates. Der Bund und das Land NRW lehnten das aber eher ab, auch ThyssenKrupp selbst will keine Staatsbeteiligung.
Das Jahr 2020 ist fast zu Ende und noch immer bleiben viele Fragen zur Zukunft von ThyssenKrupp offen. Die Hoffnung ist, dass nach der Verbreitung der Corona-Impfstoffe die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Können die zyklischen Geschäfte wieder profitabel arbeiten, würde der Zeitdruck wegfallen. Mutige Anleger spekulieren auf dieses Erholungsszenario. Das Risiko bleibt aber hoch.
Mit Material von dpa-AFX