Die Lage bei ThyssenKrupp bleibt extrem komplex. Nach wie vor sucht der Industriekonzern vor allem nach einer Lösung für seine Stahlsparte. Konzernchefin Martina Merz hat nun einmal mehr für einen Staatseinstieg geworben. Derweil bleiben die Aussichten rund um die Stahlbranche weiter trüb.
„Eine Staatsbeteiligung ist eine Option“, sagte Merz nach einem Treffen mit Spitzenpolitikern Nordrhein-Westfalens in der Düsseldorfer Staatskanzlei. So könne etwa zunächst der Staat einsteigen und später könne das jemand anderes übernehmen. „Man kann sich auch eine Kombination vorstellen. Was ich möchte, ist eine langfristige Lösung für ThyssenKrupp“, so Merz.
Schlechte Aussichten
Die deutsche Stahlindustrie wird sich derweil nach Einschätzung des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung nur langsam von der Corona-Krise erholen. Im kommenden Jahr sei deshalb noch einmal mit dem Abbau von rund 3.000 Arbeitsplätzen in der Branche zu rechnen, prognostizierten die Konjunkturexperten in ihrem am Montag veröffentlichten Stahlbericht.
Nach Einschätzung der Branchenkenner wird die Rohstahlerzeugung in Deutschland in diesem Jahr wegen der Corona-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der deutschen Industrieproduktion um 15 Prozent sinken. Im nächsten Jahr werde die Produktion zwar wieder um 10,9 Prozent auf 37,5 Millionen Tonnen steigen. Damit werde das Vorkrisenniveau aber auch 2021 noch deutlich verfehlt. Insgesamt dürften die Erzeugungskapazitäten im kommenden Jahr laut RWI lediglich zu gut 75 Prozent ausgelastet sein. Das ist ein im längerfristigen Vergleich niedriger Wert.
Doch ist es nicht nur die Pandemie, die die deutsche Stahlindustrie vor große Herausforderungen stellt. Daneben machen der Branche auch strukturelle Probleme zu schaffen. Der Stahlbedarf werde voraussichtlich auch deshalb sinken, weil deutsche Automobilhersteller im Übergang zur E-Mobilität ausländische Märkte verstärkt durch Produktionsstätten vor Ort bedienen. „Für die deutsche Stahlindustrie könnten dadurch strukturelle Überkapazitäten entstehen“, warnte das RWI.
ThyssenKrupp steht unter Druck. Ein Staatseinstieg könnte finanziell zwar helfen, damit geht aber auch Verwässerung für Altaktionäre einher. Zudem gab es hierzu zuletzt eher skeptische Aussagen von politischer Seite. Anleger sollten weiter abwarten, wie eine Lösung letztlich aussieht und nicht einsteigen.
Mit Material von dpa-AFX