Die Kurse bei ThyssenKrupp sind zuletzt wieder gestiegen. Doch die Krise des Konzerns ist noch lange nicht überwunden. Marktexperten kritisieren seit Jahren die milliardenschweren Mittelabflüsse. Daher hält so mancher Analyst einen Verkauf der Stahlsparte, die dafür maßgeblich verantwortlich ist, für keine schlechte Lösung. Jedoch gibt es auch kritische Stimmen.
Der vollständige Verkauf könnte optisch attraktiv sein, da er die Bilanz weiter stärken würde, schrieb etwa JPMorgan-Analyst Luke Nelson. Verbindlichkeiten würden reduziert und die liquiden Mittel geschont werden. Allerdings gab Nelson unter anderem zu bedenken, dass der Verkauf an einen Konkurrenten wie Liberty Steel die kartellrechtlichen Risiken erhöhen würde. Zudem hätten wichtige Interessengruppen wie zum Beispiel Gewerkschaften bereits ihre Ablehnung des vorgeschlagenen Deals zum Ausdruck gebracht.
Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank sah ThyssenKrupp zuletzt in einer schwachen Verhandlungsposition. Der Angebotspreis könnte unter den Erwartungen des Konzerns liegen. Eine Deutsche Stahl AG, zusammen mit Salzgitter, sei gegenwärtig nicht zu realisieren. Der Experte erhöhte jedoch jüngst sein Votum auf „Kaufen“. Nach dem herben Einbruch aufgrund der Corona-Pandemie deute sich in der Stahlindustrie nun eine gewisse Erholung an. Mit Blick auf die zweite Corona-Welle bestünden allerdings noch Fragezeichen, wie nachhaltig die jüngste Erholung sein wird. Im Fall von ThyssenKrupp sei insbesondere für den Stahl ab dem zweiten Quartal 2020/21 eine erkennbare Verbesserung der Profitabilität zu erwarten.
Ebenfalls auf der Käuferseite steht das Analysehaus Jefferies. Nach den schweren Verwerfungen im Jahr 2020 in der weltweiten Stahlbranche, den schwersten seit 2009, sollte die Nachfrage im kommenden Jahr wieder steigen, schrieb Analyst Alan Spence. In Europa sollte der Nachfrageschub vor allem dabei aus dem Automobilbereich kommen.
Megatrend Wasserstoff
Zudem sehen Experten in der Umstellung der Produktion hin zu „grünem Stahl“ und dem Wasserstoffgeschäft große Chancen. So hatte ThyssenKrupp jüngst eine Investorenveranstaltung abgehalten und dort sein Geschäftsfeld Elektrolyse zur Wasserstoffgewinnung vorgestellt. Das Elektrolyse-Segment biete erhebliches Potenzial, so Deutsche-Bank-Analyst Bastian Synagowitz danach. Das ThyssenKrupp in das Geschäft große Hoffnungen steckt, zeigt sich auch an dem Anlagenbauer Uhde, für den der Konzern einen Verkauf erwogen hatte. JPMorgan-Analyst Nelson schrieb nun nach der Investorenveranstaltung, dass ThyssenKrupp betont habe, dass selbst der Verkauf eines Minderheitsanteil kurzfristig nicht in Frage komme.
ThyssenKrupp ist denn auch nach Ansicht von Jason Fairclough von der Bank of America mittlerweile in der Lage, große Anlagen zur Produktion von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren auszurüsten. Die Frage sei nun aber, ob die Aktionäre diese Werte auch erkennen würden. Er selbst habe bislang den Wert dieser Aktivitäten auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt.
Stahl und Wasserstoff: Es wird deutlich, dass diese zwei Themen maßgeblich für die weitere Entwicklung bei ThyssenKrupp sind. Old Economy trifft hier auf den Megatrend schlechthin. Das birgt Chancen, aber auch Risiken. Die Aktie von ThyssenKrupp ist deshalb ausnahmslos für sehr risikobereite Anleger geeignet.
Mit Material von dpa-AFX