Im freundlichen Marktumfeld hinkt die RWE-Aktie dem starken Gesamtmarkt etwas hinterher. Dennoch konnten die Papiere des Versorgers am Dienstag auf ein neues Corona-Hoch klettern und damit ein starkes Kaufsignal generieren. Auch die langfristigen Aussichten stimmen. Ein Blick auf die komplexe Situation lohnt sich.
Der in Deutschland angepeilte Kohleausstieg setzt die Energiebranche unter Zugzwang, bis spätestens 2038 soll die Stromgewinnung aus dem fossilen Brennstoff Geschichte sein. Bei RWE ist der Anteil der Erneuerbaren Energien bis dato aber noch gering – die Essener kamen eigenen Angaben zufolge zuletzt auf rund zwölf Prozent. Bis 2022 will RWE nun aber weltweit fünf Milliarden Euro in Windkraftanlagen oder Solarparks stecken.
Erster Schritt der Neuausrichtung waren die Tauschgeschäfte mit dem früheren Konkurrenten E.on, bei denen dieser zuerst die RWE-Tochter Innogy übernahm. RWE dagegen sicherte sich die erneuerbaren Energien von E.on und soll auch noch die Windparks und Solaranlagen von Innogy bekommen. Die Übertragung soll bis Ende des Monats vollzogen werden. Dadurch wird der Kohleverstromer zu einem der weltweit größten Erzeuger von grünem Strom.
Im Zuge des Kohleausstiegs wird RWE zudem seine Braunkohlekraftwerke schrittweise abschalten. Vom Bund soll der Konzern dafür 2,6 Milliarden Euro erhalten.
Neues Gesicht
Mit der Neuaufstellung gibt sich der Konzern auch eine neue Struktur. Künftig unterteilt er sein Geschäft in die Segmente Offshore Wind, Onshore Wind/Solar, Wasser/Biomasse/Gas und den angesichts der deutschen Ausstiegspläne nicht mehr zukunftsträchtigen Bereich für Kohle und Kernenergie. Als fünftes Segment kommt der Energiehandel hinzu, mit dem der Konzern 2019 mehr verdiente als mit der Stromproduktion.
Das Jahr 2020 ist bislang für RWE solide verlaufen, der Konzern verbuchte im ersten Quartal trotz des Coronavirus-Ausbruchs einen Gewinnzuwachs. Dabei profitierte er unter anderem von starken Geschäften mit Windstrom und dem Energiehandel. Die Pandemie hatte nur einen begrenzten Einfluss auf die Geschäfte. Anders als viele andere Unternehmen konnte RWE so seine Prognose für das laufende Jahr bestätigen. Die Essener peilen für 2020 ein bereinigtes operatives Ergebnis (EBITDA) von 2,7 bis 3,0 Milliarden Euro an.
Am kommenden Freitag findet nun die jährliche Hauptversammlung statt, die in der Coronavirus-Zeit wie als Online stattfindet. Die Aktionäre dürften dann auch der Dividende von 0,80 Euro je Aktie für das vergangene Jahr zustimmen - das sind 10 Cent mehr als im Vorjahr. Gemessen am aktuellen Kurs entspricht dies einer im DAX-Vergleich mittelprächtigen Dividendenrendite von etwa zweieinhalb Prozent.
RWE ist auf dem richtigen Weg. Die starken Aussichten sind trotz des Kursanstiegs noch nicht vollständig im Kurs eingepreist. Hinzu kommt nun das starke Chartsignal. Anleger können nach wie vor zugreifen.
Mit Material von dpa-AFX