Im vergangenen Jahr litten die energieintensiven Chemieriesen Evonik, BASF und Covestro noch stark unter den kräftig gestiegenen Gaspreisen. Nun verbessert sich diesbezüglich die Lage immer weiter. So hat der Preis für europäisches Erdgas hat seine Talfahrt fortgesetzt und den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren erreicht.
Am Donnerstag wurde der richtungsweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat an der Börse in Amsterdam bei 25,80 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt. So günstig war Erdgas zuletzt im Juni 2021. Analysten erklärten den Preisrückgang unter anderem mit einer Überversorgung am Markt für Erdgas und wollten einen weiteren Preisrückgang nicht ausschließen.
Der Preis für europäisches Erdgas befindet sich seit Ende des vergangenen Jahres in einem Abwärtstrend. Der Rohstoff hat sich seitdem stark verbilligt, nachdem er im vergangenen Jahr wegen der Folgen des Kriegs in der Ukraine drastisch angestiegen war. In der Spitze wurde im vergangenen Sommer ein Rekordpreis von mehr als 300 Euro je MWh gezahlt. Der Stopp russischer Gaslieferungen hatte Ängste vor einer Energiekrise geschürt.
Während die Gaspreise fallen, werden die Gasspeicher in Deutschland weiter gefüllt. Laut jüngsten Daten des europäischen Speicherverbandes GIE betrug der Füllstand in allen deutschen Speichern am 23. Mai 72,76 Prozent. Die Gasreserven sind seit Wochen nahezu ununterbrochen gestiegen und liegen deutlich über dem Vergleichswert des Vorjahres. Gründe für den höheren Stand sind Importe von Flüssiggas, ein vergleichsweise milder Winter und Einsparungen vor allem in der Industrie.
"Der Markt ist aktuell überversorgt", erklärte Experte Philippe Francois vom Energiehandelshaus Danske Commodities den Rückgang des Gaspreises. Sollte sich diese Entwicklung nicht grundlegend ändern, dürfte der Preis für Erdgas seiner Einschätzung nach auch im Sommer weiter sinken.
Marktbeobachter verwiesen aber auch auf die schwächere Konjunktur, die für eine geringere Nachfrage sorgen dürfte. Laut Daten des Statistischen Bundesamts ist Deutschland als die größte europäische Volkswirtschaft im Winter in eine Rezession gerutscht. Aber auch in anderen großen Volkswirtschaften wird die Wirtschaft durch steigende Zinsen belastet.
Der Preis für europäisches Erdgas liegt mittlerweile deutlich unter dem Niveau, das er kurz vor Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 hatte. Allerdings hatte Erdgas vor dem Jahr 2021 durchgehend merklich weniger als 20 Euro je MWh gekostet.
Die weiter fallenden Gaspreise sorgen natürlich für Rückenwind bei für die Chemiekonzerne. Allerdings bestehen wegen der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft nach wie vor noch Sorgen, welche die Kurse etwas belasten. Es bleibt daher dabei: Ein Engagement im Chemiesektor bietet sich aktuell eher für Mutige an. Wer die Papiere von Covestro im Depot hat, sollte den Stoppkurs bei 31,00 Euro beachten. Bei BASF und Evonik sollten die Absicherungen weiterhin bei 42,00 Euro beziehungsweise 15,00 Euro belassen werden.
Hinweis auf Interessenkonflikte: Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: BASF.
Mit Material von dpa-AFX