Tech-Aktien haben im ersten Halbjahr ein beeindruckendes Comeback gefeiert. Apple, Amazon & Co haben Star-Status bei Anlegern. Doch nicht alle Titel des breit gefassten Sektors machen mit. Eine Aktie stürzt heute auf ein Rekordtief, verliert zweistellig an Wert. Erstaunlich: Obwohl es sich um ein Milliardenunternehmen handelt, dürften Privatanleger kaum betroffen sein.
Steil bergab: Der Linux-Spezialist Suse kann die Flucht der Anleger aus seinen Papieren nicht stoppen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa-AFX. Am Donnerstag rutschten die Aktien nach der Vorlage endgültiger Geschäftszahlen für das vergangene Quartal auf ein Rekordtief bei 10,50 Euro ab. Das ist ein Minus von über 16 Prozent zum Vortag.
Strategie fehlt
Nach der Gewinnwarnung im Mai hat Suse nunmehr seinen Jahresausblick bestätigt. Allerdings gibt es vorerst noch nicht viel Neues zur Ausrichtung, das stieß den Börsianern offenbar auf. Zudem lagen die bereinigten Gewinnkennziffern unter den Erwartungen.
Die Anleger wollten nun Klarheit über die weitere Strategie nach den jüngsten Veränderungen im Top-Management, schrieb etwa Jefferies-Analyst Charles Brennan. Die frühere Chefin verließ den Konzern und Ende Juni hatte der Finanzvorstand seinen Hut genommen - die Suche nach einem Nachfolger läuft.
Toby Ogg von der US-Investmentbank JPMorgan fand unterdessen auch viel Positives: Er hob einige zuversichtlich stimmende Aussagen des neuen Konzernchefs Dirk-Peter van Leeuwen und des Interimsfinanzvorstands zur aktuellen Lage hervor, zudem habe das Unternehmen inzwischen einen Risikomanager bestellt.
Suse hatte im Mai sein Umsatzziel für das Jahr gekappt und auch die Prognose für die bereinigte Betriebsmarge (Ebitda-Marge) gekürzt. Das Unternehmen hatte diesen Schritt seinerzeit mit verschobenen Verträgen sowie einer Senkung der durchschnittlichen Vertragsdauer aufgrund des unsicheren wirtschaftlichen Umfelds begründet. Auch der neu geordnete Vertrieb habe nicht die gewünschte Wirkung erzielt.
Laut Mohammed Moawalla von Goldman Sachs entsprechen die nun publizierten endgültigen Umsatzzahlen der Vorabveröffentlichung. Die im Mai noch nicht genannten Kennziffern zum bereinigten Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) lägen jedoch noch einen Tick unter den Markterwartungen, ergänzte der Branchenkenner.
Am Markt seien die Erwartungen an den Quartalsbericht an diesem Donnerstag bereits gering gewesen, merkte JPMorgan-Experte Ogg weiter an. Allein die Tatsache, dass es nach der Gewinnwarnung im Mai keine weiteren Abstriche an den Jahreszielen gegeben habe, wertete er aber schon positiv. Von großer Bedeutung ist für den Analysten jetzt unter anderem, wie hoch das Vertrauen des Managements auch in seine Mittelfristziele ist.
Die Krise bei Suse lässt sich gut an der Kursentwicklung ablesen. Nachdem der schwedische Finanzinvestor EQT die Firma im Mai 2021 an die Börse gebracht hatte, war der Kurs bis Januar des Folgejahres auf das bisherige Hoch bei 43,60 Euro gestiegen. Inzwischen kostet ein Papier allerdings nur noch gut elf Euro. Allein seit dem Jahreswechsel hat der Kurs fast ein Drittel eingebüßt. Damit gehört Suse zu den größeren Verlierern im Kleinwerteindex SDax .
Suse sorgt einmal mehr für lange Gesichter unter Anlegern. Sie vermissen eine klare Strategie. Der Kurs spricht Bände. Ein Einstieg drängt sich nicht auf. Das einzig positive: Die Umsätze auf der insbesondere bei Privatanlegern beliebten Handelsplattform Tradegate halten sich mit unter einer Million Euro in Grenzen, was dafür spricht, dass die meisten bereits zuvor die Reißleine gezogen haben.
(Mit Material von dpa-AFX.)