Die letzten beiden schwachen Quartalsberichte von Netflix sind ein wesentlicher Grund, warum der Streaming-Gigant seit Jahresanfang fast 70 Prozent seines Börsenwertes verloren hat. Heute Abend nach Schließung der US-Börsen wird es wieder ernst, der US-Konzern wird seine Q2-Zahlen präsentieren. DER AKTIONÄR zeigt, was Anleger erwarten können.
Die Wall-Street-Analysten gehen von einem anhaltenden Nutzerschwund bei Netflix aus und stellen für das Q2 im Schnitt 220,2 Millionen Netto-Abonnenten in Aussicht. Das würde einem Rückgang von zwei Millionen Nutzern entsprechen. Die größten Abgänge werden mit 1,2 Millionen Nutzern für den Wirtschaftsraum UCAN (USA und Kanada) erwartet. Positiv dürfte aber die Entwicklung in der Region Asien-Pazifik bleiben, wo rund 527.000 neue Nutzer dazukommen sollen.
Bei den Umsätzen soll das kalifornische Unternehmen laut den Analysten im zweiten Quartal 8,04 Milliarden Dollar erzielen, bei einem operativen Gewinn von 1,72 Milliarden Dollar und einem EPS von 2,91 Dollar. Der freie Cashflow soll bei 214 Millionen Dollar liegen.
Skeptische Analystenstimmen
Laut JPMorgan-Analyst Douglas Anmuth unterliege das abobasierte Modell von Netflix im aktuellen Umfeld Nachfrageschwankungen, da die Verbraucher versuchten, ihre Ausgaben im inflationären Umfeld zu begrenzen. Das schwierige makroökonomische Umfeld, Wechselkurseffekte und der anhaltende Konkurrenzdruck würden Netflix zusätzlich zu schaffen machen.
Auch für die Experten von MoffettNathanson sei der Wettbewerbsdruck wesentlich für die aktuellen Probleme von Netflix verantwortlich. Für die Nutzer sei Netflix kein Must-Have mehr, da andere Streaming-Plattformen mittlerweile in Sachen Content massiv gegenüber dem Streaming-Marktführer aufgeholt hätten.
Wedbush Securities ist dennoch der Meinung, dass die Q2-Ergebnisse von Netflix besser als erwartet ausfallen werden. Insbesondere weil die vierte Staffel der Erfolgsserie “Stranger Things” sehr erfolgreich gelaufen sei. Allerdings geht die Investmentbank davon aus, dass Netflix bei seiner Q3-Prognose wieder enttäuschen könnte.
Aktuell schätzen die Analysten, dass sich die Abo-Zahlen von Netflix im dritten Quartal auf 222,4 Millionen belaufen und damit gegenüber dem Q2 um zwei Millionen verbessern werden.
Neue Abo-Pläne
Mit besonderer Spannung erwarten die Anleger, was Netflix heute Abend zum geplanten werbefinanzierten Abo sagen wird. Zuletzt hat der Konzern Gespräche mit möglichen Werbepartnern geführt. Piper-Sandler-Analyst Thomas Champion geht davon aus, dass ein werbefinanziertes Abo Netflix pro Quartal bis zu 1,4 Milliarden Dollar an zusätzlichen Einnahmen einbringen könnte.
Netflix dürfte auch im zweiten Quartal weiter Nettoabflüsse bei den Nutzern verzeichnen. Der Markt dürfte dies jedoch bereits erwarten. Entscheidend für die nachbörsliche Kursreaktion wird insbesondere die Prognose für das dritte Quartal und die Aussagen des Managements zur weiteren Geschäftsentwicklung im Earnings-Call sein.
Aus Sicht des AKTIONÄR sind viele oben erwähnten Risiken im aktuellen Kurs von Netflix bereits eingepreist und das Abwärtsrisiko ist begrenzt. Investierte können daher weiterhin an Bord bleiben. Neueinsteiger warten die Q2-Zahlen ab.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Netflix.