Die ruhigen Zeiten sind für den Streaming-Pionier Netflix vorbei. Nun greifen Apple und Walt Disney an. Doch wird es wirklich so schlimm? Entscheidend ist: Was will der Kunde? Welchen Preis ist er bereit zu zahlen? Hier scheint Netflix den Bogen noch längst nicht überspannt zu haben. Die Aktie indes schwächelt wieder.
„Woran erkennst du, dass dein Produkt zu günstig ist?“ fragt Start-up-Gründer und Investor Ed Byrne (Scaleworks, Register365) in einem Beitrag für Techcrunch. „Wenn du die Preise zwischen 13 und 18 Prozent erhöhst, sich darüber kein Mensch beschwert und der Aktienkurs deiner Firma steigt.“
Provokativer Standpunkt – und so wahr. Qualität hat nun mal ihren Preis – und die Qualität des Netflix-Contents steht bei den Film- und Serien-Fans hoch im Kurs. Laut dem American Customer Satisfaction Index gaben die Netflix-Kunden den Inhalten des Streaming-Pioniers zuletzt 81 von 100 Punkten, ein Plus von 2,5 Prozent seit dem Start des Dienstes im Mai 2018. HBO Now kommt auf 79 Punkte, Amazon Prime Video auf 76, Hulu auf 75 und Youtube Originals auf 72.
Dass Qualität ihren Preis hat, gilt natürlich auch für Netflix. In diesem Jahr wird der Konzern vermutlich 14 Milliarden Dollar für neuen Content ausgeben. Apple wird heuer nur zwei Milliarden in seinen neuen Streaming-Dienst investieren. Offensichtlich will der iPhone-Konzern die Kunden langsam an den Dienst heranführen, ohne groß ins finanzielle Risiko zu gehen. Die Frage hierbei: Kann Apple Netflix so ernsthaft gefährlich werden?
Anders dürfte es bei Walt Disney aussehen. Der Konzern hat für knapp 72 Milliarden Dollar bedeutende Fox-Serien und -Filme gekauft, vor allem deswegen, um seine digitalen Aktivitäten zu stärken. Angesichts dieser Summe kann sich Disney-CEO Bob Iger einen Flop nicht leisten. Die Voraussetzungen stimmen jedenfalls: Disney landet seit Jahren einen Volltreffer nach dem anderen im Kino. Vor allem nach den Helden aus dem Marvel-Imperium sind die Leute verrückt. Für seinen Streamingdienst kann Disney Serien zu Mega-Blockbustern wie Avengers oder Black Panther produzieren. Die Fans würden es lieben.
Bleibt die Frage: Wie reagiert Netflix auf den härteren Wettbewerb? Derzeit ist der Konzern vor allem auf rasantes Kundenwachstum gepolt, was auf die Margen drückt. Einen Strategiewechsel ausgerechnet jetzt wird der Konzern kaum vornehmen. In den kommenden Monaten geht es primär darum, sich gegen die neuen Konkurrenten zu behaupten. Vermutlich fährt Netflix die Investitionen ins Marketing hoch. Hauptsache, Kundenzahl und Umsatz wachsen.
Und genau darin besteht das Problem für Netflix, und zwar nicht erst seit heute. Die Kundenakquise geht schon länger richtig ins Geld. Im vierten Quartal schlug jeder Netto-Neukunde mit 105 Dollar Marketingkosten zu Buche. Das ist nur der globale Durchschnitt. In den USA, wo der Wettbewerb deutlich größer ist als auf der internationalen Bühne, musste Netflix 252 Dollar je Neukunden in Marketing investieren. Gleichzeitig liegt auf Quartalsbasis der Umsatz je Kunde gerade einmal bei 29 Dollar.
Markt hat noch viel Potenzial
weltweiter Streaming-Umsatz, Quelle: Statista
Nicht zu bullish
Der Streaming-Markt bietet zwar Platz für viele Anbieter. Angesichts der aufstrebenden Konkurrenz dürfte es für Netflix in Zukunft aber noch teurer werden, Neukunden zu gewinnen. Wie viel Luft Netflix noch bei den Preisen hat, wird nicht nur von der eigenen Qualität, sondern auch von der Qualität von Apples und Disneys Streamingdiensten abhängen. Fazit: Netflix ist ein Top-Unternehmen, aber die Zeiten werden härter. Anleger sollten nicht zu bullish werden. Dabei bleiben und Stopp bei 260 Euro setzen.