Mister Spex, Auto1, Veganz. Drei Marken, drei Firmen, drei Börsengänge – ein Desaster. Die Liste, sie ließe sich beliebig fortsetzen, um viele Namen erweitern. Es ist die Liste deutscher Börsengänge.
Es ist eine Liste des Grauens. Mit Neuemissionen haben Anleger in den zurückliegenden Jahren auffällig oft horrende Verluste erlitten. Beispiel Veganz: Die Aktie des Vegan-Vollsortimenters ist erst richtig schlecht gelaufen (-55 Prozent bis Anfang der Woche), um dann vollends zu kollabieren. Allein Dienstag voriger Woche ging es in der Spitze um 55 Prozent abwärts. Verlust seit Erstemission: Vierfünftel des eingesetzten Kapitals. Beispiel About You: Das Papier des Online-Modehändlers ist heute um Zweidrittel günstiger zu haben als zu Beginn.
Ob Veganz oder About You – für Anleger waren IPOs zuletzt meist ein schlechtes Geschäft. Vor allem für Privatanleger. Sie bilden im Kapitalmarktlebenszyklus eines Unternehmens den Schlusspunkt. Nach Seed-Finanzierung und diversen Venture-Capital-Runden drücken Banken vermeintlich börsenreife Unternehmen aufs Parkett. Erstmals haben Anleger nun die Möglichkeit, am Erfolg des Unternehmens zu partizipieren. Bis dahin war diese Teilnahme nur institutionellen Investoren vorbehalten. Das Bild, das sich jetzt zeigt: Die am IPO Beteiligten setzen auf die Gier der Kleinanleger, schrauben die Bewertung gen Himmel, wollen das Maximum herausholen. Die Firmenvorstände versprechen vieles. Glauben an sich und die Kraft ihrer Worte. Allein: Es soll nicht sein. Die Realität holt sie ein. Die Geschäfte laufen nicht so rund wie gedacht, der Aufstieg nimmt keinen kometenhaften Lauf. Der Kurs – er bröckelt weg, bricht ein.
Die Verantwortung für die katastrophale Entwicklung der jüngsten Börsenmitglieder allein bei den Banken zu suchen wäre allerdings zu kurz gegriffen. In den IPO-Prozess sind viele Akteure eingebunden. Da sind die Unternehmen selbst mit ihren Gründern, Vorständen und Mitarbeitern. Da sind die Frühphasen-Investoren mit ihren ambitionierten Erwartungen an einen möglichst guten Exit, was nichts anderes als eine euphemistische Umschreibung für einen guten Verkauf ist. Und da sind die Banken, die abhängig vom Emissionsvolumen ihre Rechnung schreiben. Alle Beteiligten haben nur ein Interesse: maximalen Erfolg. Schlecht beraten sind sie jedoch, wenn sie diesen einzig und allein am Emissionspreis festmachen. Denn – und das steht für mich außer Frage – dann werden sie irgendwann die Quittung vorgehalten bekommen. Dann werden sie weder auf institutioneller noch auf privater Anlegerseite noch jemanden finden, der bereit ist, ihnen ihre Geschichte abzukaufen. Mit der Folge, dass der Zugang zum Kapitalmarkt einigen Aspiranten zu Unrecht verwehrt bleiben könnte.
Daher wäre es gut, wenn sich alle hinterfragen. Die Unternehmen, die Banken, die Börsen, aber auch die Anleger. Für uns als AKTIONÄR heißt das: noch härtere Maßstäbe an Börsenaspiranten anlegen, damit Sie als Leser von Pannen wie bei den eingangs erwähnten möglichst verschont bleiben.
Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 22/2022 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.